Festivalmotiv DOK Leipzig

DOK Leipzig 2023 veröffentlicht Programm

Vom 8. und 15. Oktober 2023 findet DOK Leipzig, das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, statt. Das umfangreiche Filmprogramm thematisiert u. a. unterrepräsentierte soziale Gruppen sowie Konflikte in Mittel- und Osteuropa und es zeigt Strategien der Zukunftsbewältigung auf.

Eröffnungsfilm „White Angel“: zwischen Trauma und Hoffnung

DOK Leipzig wird von Arndt Ginzels „White Angel – Das Ende von Marinka“ eröffnet. Polizisten evakuieren zwischen Frühjahr und Herbst 2022 Zivilist:innen aus der ukrainischen Stadt Marinka. Die Helmkameras der Polizisten geben einen unmittelbaren Einblick in den von Tod und Zerstörung  geprägten Alltag der Rettungskräfte. Im Frühjahr 2023 existiert Marinka schon nicht mehr. Ginzel kehrt jedoch zu den Menschen zurück. Im Film erzählen sie sowohl von ihren Verlusten als auch von ihrem Wunsch nach Frieden.

„Resignieren ist keine Option“

Davon ist Festivalleiter Christoph Terhechte in der Programm-Pressekonferenz am 21. September 2023 fest überzeugt. Die begleitende Ausstellung DOK Neuland findet erneut im Museum der bildenden Künste Leipzig statt. Unter dem Titel „Nowhere Is Only Somewhere“ widmet sie sich in Extended-Reality-Arbeiten drängenden Fragen der Zeit: Wie können wir zuversichtlich in die Zukunft schauen?“. Die Antwort könne nur in der Solidarisierung mit anderen liegen, damit wir die Kraft der Gemeinschaft spüren, so Terhechte. Angegliederte Branchenveranstaltungen zu dokumentarischem Storytelling und generativer KI im XR-Bereich hinterfragen Chancen und Risiken von immersiven Medien und künstlicher Intelligenz.

Wettbewerbe um Goldene und Silberne Taube

DOK Leipzig 2020 Preisverleihung

Insgesamt 255 Produktionen aus rund 60 Ländern wurden laut den Veranstaltern in das Programm der 66. Festivaledition aufgenommen; darunter Lang- und Kurzfilme sowie XR-Arbeiten. 71 Filme konkurrieren um die Goldenen und Silbernen Tauben des jeweiligen Wettbewerbs, davon 44 Beiträge als Weltpremiere in Leipzig. Neu ist, dass unter den langen Animationsfilmen ein eigener Preis ausgelobt wird. Dadurch werde dem in Deutschland häufig dem Bereich der Kinderunterhaltung zugeschriebenen Filmkunstform zukünftig mehr Sichtbarkeit im Bezug auf ernsthafte Themen verschafft. Bisher konkurrierten in Leipzig lange Dokumentar- und Animationsfilme im Deutschen Wettbewerb um die begehrten Trophäen. 

Internationaler Wettbewerb Animationsfilm

In dieser Kategorie laufen 27 sowohl kurze als auch lange Animationsfilme. Um die Goldene Taube für den animierten Langfilm konkurrieren fünf Produktionen, darunter auch einige mit dokumentarischem Anteil wie beispielsweise „Johnny & Me“ von Katrin Rothe. Der Film widmet sich mit John Heartfield dem Erfinder der politisch-satirischen Fotomontage. Bei Knit’s Island” von Ekiem Barbier, Guilhem Causse und Quentin L’helgoualc’h handelt es sich um eine hybride Produktion. Während die Bilder ausschließlich einer Game Engine entstammen und das Publikum die Gesprächspartner:innen lediglich in Form ihrer virtuellen Avatare kennenlernt, leben diese auf der ganzen Welt verstreut. Jede:r hat einen guten Grund, immer wieder in die dystopische Spielewelt zurückzukehren.

Filmplakat "Stillstand"Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm

Produktionen etablierter Filmschaffender wie Peter Mettler („While the Green Grass Grows“) und Nikolaus Geyrhalter („Stillstand“) bewerben sich in der Kategorie „Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm neben Debütant:innen wie Sarah Mallégol („Kumva – Which Comes from Silence“) um die Goldene Taube. In Letzterem stellen sich die Nachkommen von Täter:innen sowie Überlebende des Genozids in Ruanda 1994 den traumatischen Erlebnissen ihrer Familien. Der Wunsch nach Aufarbeitung, Trauer und dem Brechen der Stille zwischen den Generationen bringt die Protagonist:innen vor der Kamera in einen intensiven Dialog. „Beauty and the Lawyer“ von Hovhannes Ishkhanyan thematisiert ebenfalls innergesellschaftliche Konflikte. Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit werden in Armenien von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Ein Ehepaar mit Kind, bestehend aus einer Anwältin für LGBTQIA+-Rechte und einem Drag-Performer, bilden hier einen utopischen Gegenentwurf. Insgesamt umfasst der Wettbewerb zehn Langfilme und 13 Kurzfilme.

Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm

Der Deutsche Wettbewerb Dokumentarfilm dreht sich um neue Blickwinkel auf kontrovers diskutierte gesellschaftliche Themen. In der Desktop-Dokumentation „getty abortions“ widmet sich Franzis Kabisch der Kulturgeschichte der Abtreibung. Ausgehend von Stockfotos geht sie gängigen Topoi im Bezug auf den weiblichen Körper und dessen Vereinnahmung durch Schuldzuweisungen auf den Grund. Ebenfalls mit Gender-Klischees befasst sich „Sick Girls“. Darin spürt Filmemacherin Gitti Grüter, selbst seit der Pubertät mit ADHS diagnostiziert, der Frage nach, welche vorurteilsbesetzten Frauenbilder in vermeintlich sicherem medizinischen Wissen münden, was oft zu einer verspäteten Diagnose führt. 

Ebenfalls im Wettbewerb vertreten ist die ehemalige Leiterin des DOK Leipzig Filmprogramms, Grit Lemke. Auf der Suche nach ihrer Geburtsstätte begegnet sie in „Bei uns heißt sie Hanka“ ihrer sorbischen Identität. Bei „Rotkelchen – Die Kinder aus Korntal“ handelt es sich um einen Apell gegen das Vergessen. Julia Charakter arbeitet einen Missbrauchsskandal auf, in dem Betroffene bis heute auf Wiedergutmachung warten. „Die Ausstattung der Welt“ von Susanne Weirich und Robert Bramkamp lädt zum Hinterfragen von Erinnerungskultur ein. Requisiten im Fundus des Filmstudio Babelsberg zeugen mit folkloristischen Masken, afrikanischen oder auch pseudoafrikanischen Objekten von mangelndem Bewusstsein im Umgang mit Archivmaterial aus der Kolonialzeit.

Publikumswettbewerb

Fünf Personen aus verschiedenen Altersklassen, die nicht aus der Branche stammen, bilden die Jury für den Publikumswettbewerb. Hier gehen acht lange Dokumentarfilme ins Rennen, die teilweise schon Erfolge auf internationalen Festivals sammeln konnten. Mit dabei ist Vika!. Darin zeichnet Agnieszka Zwiefka das Portrait der ältesten DJane der Welt: Sie zählt mittlerweile 84 Jahre.

DOK Industry

Das parallel stattfindende Branchenevent DOK Industry setzt mehrheitlich auf den persönlichen Austausch vor Ort. Auftakt ist am 9. Oktober mit einem Podiumsgespräch zur aktuellen Lage über die gegenwärtige Situation von belarusischen Dokumentarfilmer*innen im Exil. Des Weiteren bietet das Branchenprogramm von DOK Industry ein breites Spektrum an Veranstaltungen, die Kreativschaffende in verschiedenen Funktionen aufeinandertreffen lassen. Besonderer Höhepunkt ist die siebte Ausgabe des Kurzfilmpitches „Short n‘ Sweet“, der Kurzfilmexpert:innen mit gerade im Bestehen begriffenen Projektideen in einen aktiven Austausch bringt. 

Zudem bietet der bereits zum zweitem Mal stattfindende DOK Archive Market am 12. Oktober 2023 die Möglichkeit zur Vernetzung. Wie im vergangenen Jahr wird die im Haus des Dokumentarfilms angesiedelte Landesfilmsammlung Baden-Württemberg neben anderen nationalen und internationalen Archiven vor Ort sein und über ihre Bestände Auskunft geben. Mehr Informationen dazu gibt es auf der Homepage der LFS

Zum Programm von DOK Industry: www.dok-leipzig.de/en/industry-programme

Digitale Festival-Ergänzung

Vom 8. bis 15. Oktober 2023 werden ausgewählte Filme im Stream zu sehen sein. Pro Tag wird ein Film online zu sehen sein; das Ticket kostet fünf Euro. Die hier besprochenen Filme „Sick Girls” und Knit’s Island” können dort beispielsweise angesehen werden. Insgesamt betont Terhechte jedoch sein Klares Bekenntnis zum Kino. Er rechne mit vollen Kinosälen, denn die Zahlen aus dem vergangenen Jahr sprächen deutlich dafür. Mit einem Erreichen der Besucherzahlen des Vor-Corona-Niveaus könne man jedoch noch nicht rechnen. 

Der VVK läuftDOK Leipzig Logo 2020

Tickets fürs Kino gibt es für 10 Euro bzw. 8 Euro (ermäßigt). Außerdem gibt es wieder Dauerkarten, mit denen beliebig viele Vorstellungen besucht werden können. Diese können dieses Jahr erstmals auch online erworben werden. Der reguläre Preis beträgt hier 75 Euro, zudem gibt es eine ermäßigte Dauerkarte für 45 Euro. Personen, die 2023 ihr 18. Lebensjahr erreichen, können das staatlich geförderte Kulturticket in DOK Leipzig-Tickets umwandeln. Im Hauptbahnhof Leipzig finden zusätzlich kostenfreie Screenings statt. Auch der Einlass in die DOK Neuland Ausstellung, DOK Talks und die Meisterklassen ist frei. Der Vorverkauf für die regulären Vorstellungen läuft.

Zum Programm von DOK Leipzig: www.dok-leipzig.de

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Picture of Maggie Schnaudt
Maggie Schnaudt ist Masterstudentin und steuert regelmäßig Artikel wie Nachberichte zur DOK Premiere zu dokumentarfilm.info bei. Außerdem unterstützt sie HDF-Veranstaltungen wie den Roman Brodmann Preis oder DOKVILLE.
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