Lars Eidinger und Kay Hoffmann Foto: Günther Ahner

Kino-Tipp: „Lars Eidinger. Sein oder nicht Sein“ von Reiner Holzemer

Die Kinotour von „Lars Eidinger. Sein oder nicht Sein“ stieß bundesweit auf immenses Interesse. Der populäre Schauspieler begleitete den Start. Er entsprach so gar nicht seinem Image des Provokateurs, sondern beantwortete ausführlich die Fragen des Publikums.

Künstler-Porträt konzentriert sich auf Eidingers Theaterarbeit

Der Münchner Regisseur Reiner Holzemer hat seit Anfang der 1980er Jahre 35 Fernseh-Dokumentationen über Künstler:innen gemacht. Viele seiner Porträts beschäftigen sich mit Fotografie, Mode, aber auch Schauspielerei. Er hat ein Gespür für Vertreter:innen dieser Künste. Lars Eidinger erlebte er vor ihrer Zusammenarbeit vor allem bei dessen Berlinale-Auftritten und in seinen Filmen. Letztere kommen in „Lars Eidinger. Sein oder nicht Sein“ aber nur am Rande vor – Holzemer konzentriert sich hier vor allem auf dessen Theaterarbeit und die Proben für die „Jedermann“-Inszenierung in Salzburg. Die in der Doku gezeigten Dreharbeiten für den neuen Spielfilm von Olivier Assayas wurden in seiner finalen Fassung nicht berücksichtigt.

Ein solch intensives Porträt ist ein Wagnis

Reiner Holzemer hat die Bildgestaltung in der Ko-Produktion des Bayerischen Rundfunk und Arte selbst übernommen. Das kleine Team ermöglichte eine große Nähe zu Eidinger herzustellen. Insgesamt drehte er in neun Monaten rund 200 Stunden. Der Fokus auf die Theaterarbeit, vor allem die Proben für den „Jedermann“ in Salzburg, kam nach Aussage Lars Eidingers erst im Schnitt. „Mir war schon bewusst, dass es auch ein extremes Wagnis ist. Man ist ja sehr darauf angewiesen, dass da ein Gegenüber ist, das einen offenen, zugewandten Blick auf einen hat und einen nicht vorführen will. Denn ein Dokumentarfilm kann ja allein durch die Auswahl der Szenen und durch die Schnitte extrem werten und manipulieren“, so Eidinger beim Publikumsgespräch in Ludwigsburg. In der Vergangenheit habe er schon zu Genüge schlechte Erfahrungen gemacht, dass man seine Aussagen falsch verstanden oder zugespitzt habe.

Lars Eidinger und Kay Hoffmann Foto: Günther Ahner
Lars Eidinger bei der ausverkaufen Kino-Premiere in Ludwigsburg
Lars Eidinger und Kay Hoffmann Foto: Günther Ahner
Auch Kay Hoffmann (links), der den Abend moderierte, hatte Spaß

Auf der Bühne ist er der eigentliche Eidinger 

Lars Eidinger gehört im Moment zu den wichtigen und bekannten deutschen Schauspieler:innen sowohl auf der Bühne als auch im Kino und Fernsehen. Er tritt außerdem als DJ auf und fotografiert. Auf der Bühne überzeugt er durch seine körperliche Präsenz, sein variationsreiches Spiel und seine Emotionalität. Er hat das Image des Provokateurs. „Ich glaube an den Moment, ich glaube, dass alle Kreativität daher rührt”, sagt er. Von daher sei er mit dem Porträt sehr zufrieden, denn auf der Bühne sei er der eigentliche Lars Eidinger. Private Aufnahmen, zum Beispiel von seiner Familie oder in seiner Wohnung, wurden hingegen von vornherein ausgeschlossen.

Reaktionen der Zuschauer:innen sind für Eidinger existenziell

Im Filmgespräch im Ludwigsburger Caligari Kino gab Lars Eidinger zu, dass die Anwesenheit der Kamera durchaus sein Spiel bei den Proben zum „Jedermann“ verändert habe. Er habe dadurch immer für sein Publikum agiert. Im Gespräch mit Kay Hoffmann, der den Abend moderierte, wurde zudem die Bedeutung deutlich, die der Austausch mit den Zuschauer:innen für ihn hat. Im Theater gebe es direkte Resonanz. Um Reaktionen zu erleben, gehe er daher jetzt auch gerne mit auf Kinotour.

Ausführlich erklärte er die Sequenz, in der er den „Jedermann“-Theaterregisseur Michael Sturminger anschreit, da er ihm bei der Probe nicht genug Beachtung schenkte. Entgegen seinem Ruf komme dies eher selten vor und er habe dabei überreagiert. „Aber für den Film war diese Sequenz ganz wichtig und ich bin froh, dass Sturminger einverstanden war, dass die Sequenz im Film bleiben konnte.“

Kinopremiere des Dokumentarfilms über Lars Eidinger im ausverkauften Caligari Kino Ludwigsburg (Foto: Günther Ahner)
Volles Haus bei der Kinopremiere
Lars Eidinger und Kay Hoffmann Foto: Günther Ahner
Lars Eidinger in Aktion

Man muss Duftmarken setzen, um sich durchzusetzen

Im Ludwigsburger Publikum saßen auch einige angehende Schauspielerinnen, die ihn nach Tipps für Newcomer fragten. Aus eigener Erfahrung gab Lars Eidinger die Empfehlung, selbst kleine Rollen ernst zu nehmen und besonders mit Leben zu füllen. Oder, etwas salopper formuliert: „Meine Frau gab mir den Rat, solange in die Ecke zu pinkeln, bis es stinkt“. Dieses Konzept habe bei ihm funktioniert, zumal er nach dem Studium auch schwierige Phasen gehabt habe, in denen er nicht besonders beachtet worden sei. Dann habe er seine „Duftmarken“ gesetzt – und irgendwann lief‘s.

Seine ausführlichen und reflektierten Antworten im Filmgespräch machten deutlich, wie intensiv er sich Gedanken macht über seine Rollen. Auch seine Verantwortung gegenüber dem Publikum wurde sichtbar. „Deshalb finde ich es auch so gut, dass der ‚Jedermann‘ so prominent vorkommt. Er ist eine allegorische Figur und steht für Jedermann. Er betritt stellvertretend die Bühne. So sehe ich auch meine Rolle in Reiners Film. Im besten Fall schauen ihn die Leute sich an, um sich selbst zu begegnen, nicht mir.“ Der Dokumentarfilm „Lars Eidinger. Sein oder nicht sein“ ist ein spannender Blick hinter die Kulissen der Arbeit am Theater, bei dem man einen Eindruck davon bekommt, wie Lars Eidinger tickt.

Selfie mit Lars Eidinger (Foto: Günther Ahner)
Selfie Time mit Lars Eidinger
Selfie mit Lars Eidinger (Foto: Günther Ahner)
Der Schauspieler präsentierte sich gut gelaunt und zugänglich
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Picture of Kay Hoffmann
Dr. Kay Hoffmann war langjähriger Studienleiter Wissenschaft im HDF und Gesamtkoordinator des DFG-Projekts „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“. Zusätzlich ist er seit langem Kurator der DOK Premieren in Ludwigsburg.
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