Georg Stefan Troller erhält Ehrenpreis fürs Lebenswerk

Mit dem neu geschaffenen, undotierten Ehrenpreis des Deutschen Dokumentarfilmpreises wird am 18. Juni 2021 Georg Stefan Troller ausgezeichnet. Das SWR Doku Festival und die MFG Baden-Württemberg würdigen damit das Lebenswerk des Regisseurs, Autors und Fotografen.

Jüdischer Exilant

Der 99-jährige ist eine Legende des Fernsehdokumentarismus. Er schuf zeitlose Meisterwerke, die bis heute Strahlkraft besitzen. 1921 in Wien geboren, floh er nach dem Anschluss Österreichs mit 16 Jahren und landete schließlich in den USA. Er wurde zum Kriegsdienst eingezogen und dann bei der Vernehmung von Kriegsgefangenen eingesetzt. Er kannte die Mentalität der Mitläufer und NS-Täter. Am 1. Mai 1945 war er an Filmaufnahmen im KZ Dachau beteiligt. Nach dem Krieg wurde Paris seine neue Heimat.

Georg Stefan Troller prägte die Fernsehreportage

Seine Karriere als Fernsehreporter begann Georg Stefan Troller Ende der 1950er Jahre beim SWF. Ab 1962 sendete der WDR sein „Pariser Journal“, das dem deutschen Publikum die Metropole näherbrachte. In „Journal 1870/71“ schlüpfte er für den SDR in eine historische Korrespondentenrolle. Ab 1971 war er für das ZDF Sonderkorrespondent in Paris und schuf die legendäre Reihe „Personenbeschreibung“. Er entwickelte sich zum feinsinnigen Beobachter. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er: „Paris hat mir die Augen geöffnet und unendlich viel gebracht. Es war ein Großstadtleben gegenüber der kleinstädtischen Beschränktheit, die man in Deutschland überall fand.“

Georg Stefan Troller bei Dokville 2012 © Rene Müller/HDFÜber 1.200 Interviews

Vor allem machte er sich einen Namen mit Interviews und seinen subjektiven Fragen. Mit Wiener Charme baute er ein Vertrauensverhältnis auf, um die Interviewten dann mit wichtigen Fragen regelrecht zu überrumpeln. So bekam er Antworten zu persönlichen Geheimnissen. Dies zeichnete seine Interviews u. a. mit Woody Allen, Mohamed Ali, Brigit Bardot, Marlon Brando, Hildegard Knef, Picasso oder Romy Schneider aus. „Ein gutes Interview ist wie eine Beichte“, sagte er einmal im Rückblick.

Dokumentarfilmer sind Menschenfresser

Provokativ seine Feststellung, dass Dokumentarfilmerinnen und -filmer Menschfresser seien. Sie nährten sich von den Gefühlen Anderer, so der Tenor. Die Ausbeutung ihrer Gefühle und Lebensgeschichten sei der Kern dokumentarischen Arbeitens. Zugleich ist Troller in seinen über 150 Dokumentarfilmen ein großer Menschenversteher, der seine Protagonisten und Protagonistinnen zu öffnen wusste wie kein anderer. Seine Texte sind darüber hinaus kleine literarische Kunstwerke. In einem späteren Lebensabschnitt begann er eine weitere Karriere als Fotograf.

Georg Stefan Troller zu Gast bei DOKVILLE 2012

2012 war Georg Stefan Troller Gast des vom Haus des Dokumentarfilms organisierten Branchentreffs DOKVILLE. Unter dem Leitgedanken „Wer fragt, lebt“ unterhielt er sich mit Gabriele Röthemeyer, damalige Geschäftsführerin der Filmförderung Baden-Württemberg, über sein Leben und seine Arbeit. Im Anschluss daran stand er außerdem einem jungen Reporter von CampusTV der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Rede und Antwort (Video).
image_pdfAls PDF speichernimage_printDrucken
Kay Hoffmann
Dr. Kay Hoffmann ist Studienleiter Wissenschaft im HDF und Gesamtkoordinator des DFG-Projekts „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“. Zusätzlich ist er seit langem Kurator der erfolgreichen DOK Premieren in Ludwigsburg.
Facebook
Twitter

Dies könnte Sie auch interessieren:

Dokumentarfilme zum 100. Geburtstag von Georg Stefan Troller
Am 10. Dezember 2021 wird der vielfach ausgezeichnete Reporter und Dokumentarfilmer Georg Stefan Troller 100 Jahre alt. Aus diesem Anlass zeigen einige Sender wie 3sat, ARD alpha und der BR Filme und Interviews von und über den Dokumentaristen.
Doku-Tipp: „Auslegung der Wirklichkeit“ über Georg Stefan Troller
Film sei „Auslegung der Wirklichkeit“, sagt Georg Stefan Troller im gleichnamigen Dokumentarfilm. Dem Leben des Journalisten und Dokumentaristen, der am 10.12.2021 seinen 100. Geburtstag feierte, widmet sich Ruth Riesers vielschichtiges Porträt.
»Union fürs Leben«

Es gibt sie in jeder Stadt, in jedem Dorf. Mehr als 25.000 Fußballvereine zählt allein der DFB. Und jeder ist für seine Mitglieder und seine Fans unvergleichbar und einzigartig. Frank Marten Pfeiffer, der auch die Kamera führte, und der erfahrene Dokumentarfilm-Regisseur Rouven Rech, der unter anderem mit »Das Leben ist kein Heimspiel« den heutigen Bundesliga-Spitzenklub Hoffenheim porträtierte, haben von 2012 bis 2014 einige Fans des 1.FC Union Berlin begleitet und mit »Union fürs Leben« einen Fußballfilm geschaffen, der wenig vom Fußball, sondern vom Film handelt. Der rbb zeigte den auch außerhalb Berlin sehenswerten Dokumentarfilm, der 2014 auch in den Kinos lief, am 17. Mai. Nun ist er bis 24. Mai 2017 in der Mediathek des Senders abrufbar.

Produzentin Regina Ziegler für ihr Lebenswerk geehrt

Der diesjährige Carl-Laemmle-Produzentenpreis ging an die Filmproduzentin Regina Ziegler für ihr Lebenswerk, das soeben erst durch den Zweiteiler »Gladbeck« ein weiteres beachtenswertes Mosaiksteinchen dazu erhielt. Im Jahr 2013 war Regina Ziegler zu Gast bei Dokville dem Branchentreff Dokumentarfilm, den das Haus des Dokumentarfilms in diesem Jahr am 28. und 29. Juni, ausrichten wird. Wir gratulieren Regina Ziegler und lassen ihr zur Ehre die Geehrte selbst zu Wort kommen: Mit Zitaten aus ihrem damaligen Dokville-Auftritt, die an Brisanz und Aktualität nichts eingebüßt haben.