Szene aus »Das Lied des Lebens« © Jane Dunker/Lichtfilm

TV-Tipp 22.2.: Das Lied des Lebens – Musik ist Heimat

Ein Chorleiter erarbeitet mit Senioren und Heimbewohnern ein Musikstück. Dabei entdecken die Alten und wir Zuschauer, aus was man Musik macht und was Musik mit uns tut. Langweilig? Keineswegs. Irene Langemanns Dokumentarfilm »Das Lied des Lebens« aus dem Jahr 2012 bietet die Chance zu einer tiefen Entdeckung: Musik ist wir, Musik ist Heimat. Der SWR wiederholt in der Nacht zum Freitag diesen musikalischen und menschlich warmen Film – zur späten Stunde, aber es lohnt sich.

 

SWR, 1:10 Uhr: Das Lied des Lebens

Szene aus »Das Lied des Lebens« © Jane Dunker/Lichtfilm
Szene aus »Das Lied des Lebens« © Jane Dunker/Lichtfilm

Irene Langemanns Dokumentarfilm verfolgt die Arbeit des Musikers Bernhard König – doch zunächst hat man den Eindruck, dass er gar nicht mit Musik und Instrumenten arbeiten möchte. Gleich am Anfang sehen wir, wie er einer Gruppe von Altenheimbewohnern einen Koffer voll Laub auf den Tisch kippt. Das seien die Instrumente, die er ihnen mitgebracht habe. Einer alten Dame fällt gleich die Kinnlade herunter, die anderen sind wenigstens motiviert. Wahrscheinlich hat man ihnen erzählt, sie dürften hier bekannte Volkslieder singen. Innerhalb weniger Minuten aber gewinnt König die alten Menschen für ein viel spannenderes Erlebnis: er will Musik machen, die aus ihnen und ihrem Leben stammt.

Alte Menschen versorgen, das ist in Deutschland heute gut organisiert. Sich mit ihnen zu beschäftigen, sie als gleichwertige Partner in einem Treffen der Generationen zu akzeptieren, das gelingt nicht allerorts und jedermann. Doch genau darum geht es Bernhard König. Er will mit den alten Menschen eine Musikinszenierung erarbeiten, die sich aus kollektiven Sammelfunden zusammensetzt. Die Leben der Alten dienen als Fundgrube für Szenen, Melodien, Instrumente und Kompositionen. Auch in Köln, wohin das Filmteam König folgt, findet er im Zusammenspiel mit Senioren des Experimentalchors »Alte Stimmen« neue Inspiration.

König selbst wird in dieser einfühlsamen Arbeit – es gibt Szenen, da kann man vor seiner Zurückhaltung nur den Hut ziehen – zum Medium. Um im Thema zu bleiben: zu einem Instrument, das an der Liedern dieser Lebensgeschichten mitwirkt. Mit Musik in herkömmlicher Weise hat das zunächst wenig zu tun, doch am Ende eine ganz Menge. Die Musik – diese berührendste aller Künste – dient hier als idealer Schlüssel zur Menschlichkeit.

Dieser Dokumentarfilm über das Singen macht Mut. Auf die Umkehr der Alterspyramide und unsere Zukunft in einer gentrifizierten Gesellschaft ist er eine kluge, eine warmherzige Antwort.

Dokumentarfilm, D 2012, 92 Minuten
Regie: Irene Langemann
Produktion: Lichtfilm (Wolfgang Bergmann) in Koproduktion mit SWR, WDR und Arte
image_pdfAls PDF speichernimage_printDrucken
Thomas Schneider
„Ich liebe Print, ich liebe Online, ich liebe es, das Beste zwischen beiden Welten zu vereinen“, sagte Thomas Schneider über seine Arbeit. Ab 2009 war er für das HDF im Bereich Redaktion sowie PR/Marketing tätig. 2019 verstarb Schneider überraschend und viel zu früh.
Facebook
Twitter

Dies könnte Sie auch interessieren:

TV-Tipp 16.9.: Musik ist auch ein Mittel des Kampfes

Arte zeigt am Sonntagabend in Erstausstrahlung den dritten und letzten Teil einer bemerkenswerten, kleinen Dokuserie. In »Musik in Zeiten von Krieg und Revolution« geht es um den Einfluss, den Krieg und Zeiten des Umsturzes auf die Musik hatten - und auch, wie Musik eingesetzt wurde und wird, um politische Ziele zu erreichen.

Überraschungen des Lebens im Fokus der dokumentarischen Kamera

Wie real ist das, was uns der Dokumentarfilm für echt vorsetzt? Eine Diskussion, die nicht erst durch jüngste Ereignisse rund um den Spiegel und den WDR geführt wird, sondern schon in der ersten Sekunde der Filmgeschichte hätte beantwortet werden müssen. Auch in der DOK Premiere von »Berlin Excelsior«, einem sehenswerten Dokumentarfilm von zwei jungen Filmemachern über Bewohner eines Hochhauses, war der Wunsch spür- und hörbar, sich über Authentizität und Inszenierung sowie über die Verantwortung des Filmenden für seine Protagonisten auszutauschen. Die wichtigste Aussage in dieser Hinsicht: Es lässt sich nicht immer alles realisieren, was geplant war; und nicht alles, was gefilmt wird, war auch so vorausgedacht.

TV-Tipp 28.10.: Mexiko – die Frau, die Musik, der Tod

Es gibt da mehr als nur eine Mauer, wenn man an Mexiko denkt. Zum Beispiel gibt es eine Kultur, die sowohl ästhetisch, als auch politisch ist. Und es gibt den Tod, der in Mexiko nichts Engültiges hat. Und es gibt die Musik. Doris Dörries Dokumentarfilm »Dieses schöne Scheißleben« von 2014 handelt von einer weiblichen Mariachi in Mexiko auf der Suche nach dem persönlichen Glück und ihren Kampf gegen Machismo. Der Film war unter anderem für den Deutschen Dokumentarfilmpreis 2015 nominiert. Phoenix zeigt ihn am Samstagabend.

Thomas Heise gewinnt Deutschen Dokumentarfilmpreis mit »Heimat ist ein Raum aus Zeit«

Zum dritten Mal fand das SWR Doku Festival im Stuttgarter Metropolkino mit der Vergabe des Deutschen Dokumentarfilmpreises statt. Dafür wurden in diesem Jahr 138 Dokumentarfilme eingereicht, so viele wie nie zuvor. Davon kamen 25 auf die Shortlist und zwölf davon wurden für den Deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert, der von SWR und der MFG Filmförderung mit 20.000 Euro dotiert ist.