Zwei Personen vor einer Leinwand

Der lange Weg zu »Sie nannten ihn Spencer«

Acht Jahre lang hat Karl-Martin Pold an seinem Dokumentarfilm »Sie nannten ihn Spencer« gearbeitet. Er ist viele Kilometer mit dem Bud-Mobil unterwegs gewesen, schüttelte die Hand von Bud Spencer alias Carlo Pedersoli, er bekam keine auf die Ohren, aber er aktivierte eine riesige Bud-Fangemeinde. 2011 waren er und Sarah Nörenberg bei Dokville, dem Branchentreff aus dem Haus des Dokumentarfilms, zu Gast und sprachen damals über ihre ersten Arbeiten an dem jetzt im Kino angelaufenen Film. Dokville-Kuratorin Astrid Beyer führte für uns ein Gespräch mit Regisseur Karl-Martin Pold, das auch beleuchtet, was es bedeutet, einen Film großteils durch Crowdfunding realisieren zu müssen.

Polds Bud-Spencer-Projekt gehörte 2011 mit zu den ersten Crowdfunding-Filmprojekten im deutschsprachigen Raum. Deswegen war der Vortrag bei Dokville 2011 angesetzt worden – und das Publikum verfolgte die Vorstellung des Projektes mit großem Interesse. Bereits damals erkannten die beiden angehenden Filmemacher das enorme Potential der Fangemeinde und involvierten diese in ihre Projekt. Mittlerweile hat »Sie nannten ihn Spencer« 270.000 Freunde auf Facebook gewonnen – und nach der Kinotour werden es sicherlich einige mehr sein.

Seit dem 27. Juli 2017 läuft der Dokumentarfilm in den deutschen Kinos. Der Dokumentarfilm ist Polds Erstlingswerk. Ihm ist eine furios-komische, temporeiche Hommage an den italienischen Komödienstar Bud Spencer gelungen. Das nachfolgende Interview führte Astrid Beyer, Dokville Kuratorin, am Premierentag mit Karl-Martin Pold.

Woher kommt deine Begeisterung für die Spencer-Hill Filme? 

Ich glaube, da geht es mir so, wie vielen Menschen in meiner Generation. Ich bin mit Bud Spencer übers Fernsehen aufgewachsen. Jeden Sonntagnachmittag war das Pflichtprogramm, gemeinsam mit den Eltern oder Freunden. Und das hat sich bis heute nicht geändert, die Filme laufen immer noch in Dauerschleife im Fernsehen mit Topquoten und das heißt schon was.  Als ich dann durch Zufall ein CINEMA Buch auf einem Flohmarkt ergatterte erfuhr ich zum ersten Mal als Teenager mehr über Bud Spencer. Über die Privatperson Carlo Pedersoli. Erfinder, 9-facher italienischer Schwimmmeister, Komponist, Pilot, Flugunternehmer, gründete ein eigenes Jeans Label, Abenteurer im südamerikanischen Dschungel und gelernter Jurist…. Ich war total fasziniert von diesem Tausendsassa. Also beschloss ich meine Diplomarbeit über ihn zu schreiben. Mittlerweile sind es sogar zwei geworden, eine für mein Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften und eine für Journalismus und PR. 

Du warst vor sechs Jahren, also 2011, bei Dokville zu dem Thema “Crowdfunding”, das damals noch ganz neu in Deutschland war. Ihr wart sozusagen die Pioniere auf dem Gebiet als ihr 2010 auf den englischsprachigen Plattformen “Kickstarter” und “IndieGogo” geworben habt. Wie waren eure Erfahrungen mti Crowdfunding?

Crowdfunding war damals etwas völlig Neues. Kein Mensch konnte damit etwas anfangen. Heute ist es fast schon Mode. Jeder macht irgendwas mit Crowdfunding. Dabei ist es ganz wichtig, mit Emotionen zu arbeiten. Nur so erreichst du es, dass Menschen ein Projekt unterstützen. Damals hatten wir nicht so eine große Fangemeinde wie jetzt. Momentan haben wir 270.000 Facebookfans, und das vor dem Kinostart. Da spielen wir in der Liga von ganz großen Firmen mit und das alles ohne bezahlte Facebookfans.Durch unsere drei erfolgreichen Crowdfunding-Kampagnen war es möglich die ersten Dreharbeiten zu finanzieren. Die alten Haudegen des Spencer Hill Universums sind ja meist schon über 80 Jahre alt. Da konnte ich nicht auf die Filmförderungen warten. In Österreich wurde das Projekt sechs Mal abgelehnt, mit der Begründung, Bud Spencer lockt keinen ins Kino. Nur mit Hilfe der tausenden Fans, die hier mitwirkten, war es möglich, diesen Film zu produzieren. Kameramänner, Tonmänner, Animateure, Dolmetscher und, und, und bis zum Automechaniker. Sie halfen alle unentgeltlich mit, weil sie Fans sind und wollten, dass Bud Spencer zurück ins Kino kommt. 

Wie hat sich Crowdfunding seitdem verändert?

Sehr stark. Crowdfunding ist mittlerweile ein gängiges Mittel, um Geld aufzutreiben, aber nicht nur in der Filmbranche. Mittlerweile gibt es vielfache Formen: Crowdfunding, Crowdsourcing, Crowdinvestment…. Große Firmen und Unternehmen versuchen so eine emotionale Bindung zum Kunden aufzubauen. Klar, jeder, der Geld, Zeit und Emotionen in ein Projekt investiert, der bleibt einem treu. Im Laufe der letzten Jahre wurde ich oft von Studenten zu dem Thema Crowdfunding für ihre Diplomarbeiten interviewt. Es gab da einen regelrechten Boom. Ich bin der Meinung, gerade im Filmbereich wäre hier noch viel, viel mehr möglich. Aber alte, gestandene Produzenten vergeben oft eine Chance. Crowdfunding eignet sich auch super fürs Marketing. Einen Trailer zu machen, ein paar Plakate und Filmkritiken in der Presse ist zu wenig. Mithilfe der Social Media Kanäle ist enorm viel zu erreichen. Im Internet kann man mit Kreativität verdammt viel erreichen.

Wie viel Geld habt ihr für euren Film durch die Crowd generiert? 

Wir haben damals bei allen drei Kampagnen gesamt 18.000 Euro generiert. Das ist für eine Filmproduktion gar nichts .Damit konnten wir zumindest die Reisekosten abdecken für die ersten Interviews. Heutzutage wären ganz andere Summen möglich. Weil Crowdfunding sich eben etabliert hat. 

Ihr seid auch auf Facebook sehr präsent, wie groß ist eure Fangemeinde (auch die, die ihr über Crowdfunding gewonnen habt) und welchen Vorteil haben die sozialen Medien für “Sie nannten ihn Spencer”? 

Wie schon erwähnt, war es mir wichtig, von Anfang an einen Film von Fans, mit Fans und für Fans zu machen. Ich startete am Beginn der Idee 2009 einen Blog. Dort schrieb ich über meinen Plan, einen Film über Bud Spencer zu drehen, veröffentlichte den ersten Trailer, den ich im Rahmen meiner Diplomarbeit (auch mithilfe der Fancommunity) produzierte. Den stellte ich auf YouTube und dann ging es los. Emails aus der ganzen Welt trudelten bei mir ein. Aus Japan, Südamerika, Südafrika und tausende aus Deutschland. Da wusste ich: das Ding muss ich durchziehen. Dass es dann 8 Jahre dauern würde, hätte ich nicht gedacht. Aber meine Entscheidung war: Entweder ich suche mir nach dem Studium einen bequemen 40h Job, geregeltes Leben, Einkommen, sorgenlos …oder ich versuche einen Lebenstraum zu verwirklichen. Es war ein langer, harter Weg und das Projekt war viele Male wirklich tot, und ich psychisch und physisch am Ende. Kein Geld, keine Hoffnung, dass das Projekt irgendwann was wird. Die Eltern, Verwandten, Freunde… keiner glaubte mehr daran. Aber in diesen dunklen Stunden (nach jeder Filmförderablehnung), bekam ich wieder so viele Mails von Fans, die an mich glaubten und an das Projekt. Das gab enorm viel Kraft.  Und so machte ich weiter. Und deshalb bin ich der Fangemeinde heute sehr, sehr dankbar. Ohne sie wäre dieser Film nie entstanden. Wir waren ja nicht nur auf Facebook, sondern hatten einen eigenen YouTube-Kanal, Facebook, Twitter, ein viersprachige Homepage (wieder von Fans übersetzt), und mittlerweile auch Instagram. Wir haben von Anfang an auf die sozialen Medien gesetzt, das war damals 2009 noch nicht so üblich. Aber ich habe auch nie die Offline.Medien ausseracht gelassen. Ich komme ja vom Journalismus bzw. PR Bereich. Und wenn man weiß, wie Medien funktionieren, kann man sich mit Geschichten dort auch super platzieren. Und mit einem Fernsehbeitrag erreichst du eben auch noch ganz andere Zielgruppen, oder einem Beitrag in der Zeitung. Das habe ich deutlich gespürt bei den Zugriffszahlen der Homepage. Medienkonvergenzen gezielt nutzen ist der Schlüssel zum Erfolg. Und man muss eben auch ein Marktschreier sein. Viele Filmemacher scheuen das Rampenlicht und die Medien. Wenn man aber keine Produzenten bzw. keinen Verleih hinter sich hat, muss man halt selber ran.

Bei Dokville sind seinerzeit einige Redakteure und Produzenten auf euch aufmerksam geworden. Wie ging es nach 2011 weiter, hat euch Dokville weiter geholfen? 

Ich kann mich noch sehr gut an Dokville 2011 erinnern. Zum einen sehr, sehr positiv, weil das Echo der Leute extrem positiv war und wir viele Kontakte knüpfen konnten. Leider aber auch negativ, weil wir einen Tag nach Dokville wieder eine Förderabsage bekamen. Und somit war das Projekt wieder einmal tot. Mir war es enorm wichtig, viele Original-Filmszenen und die -Filmmusik zu verwenden und das kostet massiv Geld – ohne Filmförderung unmöglich zu finanzieren. Aber aufgrund von Dokville wurde ich als Referent für Crowdfunding an mehreren Unis eingeladen, da gab‘s auch ein gutes Honorar, das wieder einen weiteren Dreh finanzierte. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Dokville. Das zeigt, wie wichtig es ist, in der Branche Kontakte zu knüpfen und Mitstreiter zu finden. 

Ihr habt keine Filmförderung in Österreich bekommen, was war der Grund dafür? 

Der offizielle Grund war: Kein Kinopotential. Ganz lapidar und für mich völlig unverständlich. Wenn man sich ansieht, wie populär Bud Spencer ist. Welche Bedeutung er für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt hat. Und Bud und Terence haben schließlich Filmgeschichte geschrieben, das italienische Kino entscheidend mitgeprägt. Doch Bud Spencer ist in intellektuellen Kreisen oft verpönt. Hirnloser Plumper Klamauk ohne Anspruch. So wurden sie von den Kritikern in den 70er Jahren vernichtet. Und mein Eindruck ist, dass gerade in vielen Filmgremien eben auch dieses Bild der Filme vorherrscht. Da werden lieber Sozialdramen, gesellschaftskritische Filme und schwere Themen gefördert. Die haben natürlich ihren Anspruch – lockt aber kein Publikum ins Kino. Und so bleibt eben kein Geld für Populärkultur. Wobei die Filme von Bud und Terence auf den zweiten Blick sehr wohl eine Botschaft haben. Hinter den einfach gestrickten Geschichten steckt viel mehr. Dr. Christian Heger, hat eine ganze Doktorarbeit über die gemeinsamen Filme geschrieben und herausgearbeitet auf wie vielen Ebenen Bud Spencer funktioniert. Jung und alt begeistert.  Ich könnte hier nun seitenweise analysieren,…aber dafür wird wohl nicht genug Platz sein  ;). 

Du hast acht Jahre an dem Film gearbeitet, wie hast du dich finanziert? 

Ich musste jede Menge Jobs annehmen. Es war einfach keine Zeit für einen normalen 40-Stunden-Job. Weil ich täglich immer irgendwie mit Bud beschäftigt war. Die Betreuung der sozialen Medien, richtig gemacht, kostet viel Zeit, dann noch die Organisation der Drehs, und, und, und. Also habe ich alle Jobs angenommen, die ich bekam. Ich habe als Christbaumverkäufer jeden Winter gearbeitet, als Spiele-Erfinder beim ORF (Kindersendung), Redakteur fürs Radio und Fernsehen, im Supermarkt an der Kassen, als Lastwagenfahrer, Chauffeur für Paulo Coelho, Brotverkäufer in den USA, oder Deutschlehrer in Russland, Fußballtrainer, Marketingkampagnen für Filmproduktionen oder Produktionsleiter für einen indonesischen Kinofilm. Ich hab‘s so ähnlich gemacht wie Bud Spencer, ….gesagt ich kann alles und hab‘s einfach gemacht. Man lernt bei so vielen verschiedenen Jobs unglaublich viel dazu. 

Also wirklich Deinem Idol auf den Spuren. Gut, dass Du so viele Talente und Kenntnisse hast! Es ist ja dein erstes Filmprojekt. Was sind die drei wichtigsten Dinge, die du gelernt hast?

Ich habe bereits als Kind Filme gedreht, als Jugendlicher richtig brutale Kurzhorrorfilme. Ich war immer ein Fan des Genrefilms. Mit 20 drehte ich einen 120 Minuten Western, der sogar im Programm- Kino in Wien lief. Dann scheiterte ich allerdings an der Filmakademie. Die wollten mich nicht. Also studierte ich eben Theater-, Film- und Medienwissenschaften und sagte mir: „Eines Tages wird ein Film von mir groß im Kino laufen, weil ich an mich selber glaube“. Also diese Ablehnung der Filmelite lernte ich so schon früh kennen. Was ich gelernt habe in den 8 Jahren? Film ist ein Kampf – man muss sich gegen viele, viele Stimmen durchsetzten, man muss von sich überzeugt sein, eine Vision haben und extrem stur sein.  Ich habe auch mit vielen verschiedenen Kameramännern und Tonmenschen gearbeitet. Die kamen manchmal vom Spielfilm oder eben von Filmakademien. Wir arbeiteten sehr spontan bei dem Film, das waren sie nicht gewohnt. Schöne Bilder und perfekter Sound sind wichtig, aber am Wichtigsten ist es, den Zuschauer emotional zu packen und auf eine Reise mitzunehmen. Das ist für mich die Kunst eines Geschichtenerzählers. Ich wollte auf keinen Fall eine 08/15 Doku machen. Talking Heads, langsame Bilder, trockener Sprecher. So kann man keine Doku über Bud machen. Deshalb gibt es auch in meinem Film ganz zu Beginn eine Anspielung auf dieses Doku Klischee. Deshalb unbedingt ins Kino gehen und ansehen. Man kann eine Doku auch auf ganz andere Art erzählen. BE BUD OF IT. 

Ganz herzlichen Dank für das ausführliche und ehrliche Gespräch. Toll, dass du das Projekt durchgezogen hast und dass du dir, trotz Premierenstress, Zeit für uns genommen hast. Ich bin sicher, eure Fans unterstützen euch jetzt ganz besonders, denn schließlich will man ja sehen, was man jahrelang unterstützt hat. Deshalb wünsche ich euch viele, viele begeisterte Zuschauer in den Kinos.

image_pdfAls PDF speichernimage_printDrucken
Picture of Redaktion
Wir, die Redaktion von dokumentarfilm.info, versorgen Sie regelmäßig mit News, Artikeln und Hintergründen rund um den Dokumentarfilm.
Facebook
Twitter