Kinostarts im November: 21.11. und 28.11.

Am 21.11. und 28.11. laufen acht Dokumentarfilme in den Kinos an. Am 7.11. und 14.11. laufen achtDokumentarfilme in den Kinos an. ALMAR – DER RUF DES JAKOBSWEGES, SCHWARZER ZUCKER, ROTES BLUT, SO THIS IS CHRISTMAS, ÜBER UNS VON UNS, BALDIGA – ENTSICHERTES HERZ, TOGOLAND PROJEKTIONEN, JEFF KOONS und NICHT OHNE MEINE TIERE.

Regie: Sascha Günther

Kinostart: 21.11.24

Vor zehn Jahren trat der Regisseur Sascha Günther seine erste Pilgerfahrt auf dem Jakobsweg an. Für ihn eine auch spirituelle Erfahrung – die Schönheit der Natur prägte sich ihm ein, die Gemeinsamkeiten mit den anderen Pilgerinnen und Pilgern aus aller Welt sind ihm unvergessen. Im Sommer 2023 tritt Günther erneut diese Reise an, will die Menschen suchen, denen er damals begegnete. Ulmer Münster und Notre Dame in Paris sind Stationen dieses Wegs, vor allem aber bannt ihn der spektakuläre Reiz des Camino del Norte im Baskenland und in Kantabrien sowie der Camino Primitivo, der durch Asturien und Galicien führt – bis ans Meer. Wer sind die Menschen, die sich auf diese Pilgerfahrt begeben? Was erwarten sie? Welche Erfüllung erhoffen sie für sich? Bilder der Landschaft, Gespräche mit Menschen – Einssein mit dem Leben. Ungestört vom Rauschen des Alltags. Lieder der Pilgerinnen und Pilger fügen den bildlichen Reizen persönliche Töne hinzu.

Credits: „Almar“. Dokumentarfilm von Sascha Günther. Drehbuch: Sascha Günther. Kamera: Marcel Beloqui Evardone. Schnitt: Constantin Löhrmann. Eine Produktion von Geomar-Film. Im Verleih bei Geomar-Film.

Regie: Luigi Toscano

Kinostart: 21.11.24

SCHWARZER ZUCKER, ROTES BLUT erzählt die Geschichte von Anna Strishkowa aus Kyjiw. Als Kleinkind steht sie am 4. Dezember 1943 an der Rampe von Auschwitz. Sie kennt weder die Namen ihrer Eltern noch ihre Herkunft. Der Filmemacher Luigi Toscano trifft sie 2015 im Rahmen seines Projekts „Gegen das Vergessen“ in Babyn Jar. Ihre Geschichte berührt ihn tief. Seine Spurensuche führt ihn von Auschwitz über verschiedene Orte in Belarus, Polen und der Ukraine bis nach Unna in Nordrhein-Westfalen. Dabei versucht Toscano, Annas Herkunft und Lebensgeschichte zu rekonstruieren.

Credits: „Schwarzer Zucker, Rotes Blut“. Dokumentarfilm von Luigi Toscano. Drehbuch: Luigi Toscano. Kamera: Nicolas Mussell, Paul Götz, Oleksandr Zhuravsky und Denys Krasylnikov. Schnitt: Paul Götz und Luigi Toscano. Eine Produktion von Luigi Toscano. Im Verleih bei Drop-Out Cinema.

SO THIS IS CHRISTMAS

Regie: Ken Wardrop

Kinostart: 21.11.24

Weihnachten ist ein großes Tamtam. Auch in einer kleinen irischen Gemeinde. Supermarkt, Kirche, Stube. Die Lichter brennen am Baum. Jedenfalls die elektrischen an der Plastikfichte. Doch in vielen Menschen erleuchten sie nichts. Erwartung, Hoffnung, Einsamkeit, Vergessensein. Weihnachten bedeutet ihnen nichts. Und doch sehr viel. Sie wollen Ruhe, aber eigentlich ein Miteinander. Ein Geschenk für alle wäre Zeit. Ken Wardrop lässt die Menschen sprechen. Behutsame Kamerabewegungen. Und wie das in Irland so ist: Ohne Humor, ohne eine leise Ironie geht die Chose nicht. Auch nicht das große Weihnachtstamtam.

Credits: „So this is Christmas“. Dokumentarfilm von Ken Wardrop. Drehbuch: Ken Wardrop. Kamera: Narayan Van Maele. Schnitt: John O’Connor. Eine Produktion von Venom Films. Im Verleih bei mindjazz pictures.

Regie: Rand Beiruty

Kinostart: 28.11.24

Eine Langzeitstudie. Die Filmemacherin Rand Beiruty begleitet über mehrere Jahre eine Gruppe von jungen Mädchen, die es ins Brandenburgische verschlagen hat. Sie kommen aus Syrien, dem Irak, aus dem Libanon und anderen Ländern. Flüchtlingskinder. Sie finden sich wieder in einer Fremde, die nur schwer zu begreifen ist. Geschweige denn, sich in sie einzufinden. Beiruty ist nicht nur Dokumentaristin, sie mischt sich in den Prozess, eine neue Heimat zu finden, auch aktiv ein. Lädt zu künstlerischen Workshops ein. Es gelingt der Regisseurin, den Lebens-Swing der jungen Frauen im Bild festzuhalten. Nicht starr, sondern unvermittelt. Diese Emotionen tragen den Film. Am Ende inszeniert Beiruty ihre Protagonistinnen in den Posen ihrer Wunschberufe: Polizistin, Ärztin, Stewardess. Ob es Traumbilder bleiben, bonbonfarben und allzu schön? Ende offen, „doch solange du atmest, hast du einen Traum“.

Credits: „Über uns von uns“. Dokumentarfilm von Rand Beiruty. Drehbuch: Rand Beiruty. Kamera: Marco Müller, Antonia Kilian (Zusatz) und Meret Madörin (Zusatz). Schnitt: Patrick Richter und Abdallah Sada. Eine Produktion von Tondowski Films und Shaghab Films. Im Verleih bei 
Real Fiction Filmverleih.

Regie: Markus Stein

Kinostart: 28.11.24

Jürgen Baldiga, 1959 in Essen geboren, 1993 in Berlin gestorben. Barmann, Koch, Stricher, Fotograf. An Aids erkrankt, entdeckte Baldiga für sich die Fotografie, schrieb Lyrik, versuchte sich als Sänger in einer Punk-Band. Ein wildes Leben im Dschungel West-Berlins. Wie man so sagt. Sex, Drugs, keine Liebe. Er fotografierte die tristen und doch so typischen Hinterhöfe, umarmte den Kiez mit seinen Aufnahmen, porträtierte seine Freunde, vor allem die Schwuztunten. Wurde so auch zu einem Chronisten der Aids-Krise in der Metropole. Seine Fotos seien aggressiv, sagt er selbst. Wird, selbst an HIV erkrankt, zum Außenseiter der Außenseiter, sagt er auch. Markus Stein schneidet schnell: Selbstauskünfte und Zeitzeug:innen. Die Porträts. Immer wieder diese. Selbstentblößungen seiner selbst und anderer. Selbstentblößungen, die Lebensbehauptung sein wollen und sind. Ein wildes Puzzle des queeren Berlins der achtziger und neunziger Jahre. Exzessiv. Erschöpfend. Baldiga, der Mensch und Künstler, nahm sich das Leben. Ein letztes Foto zeigt ihn mit einer Clownsnase. „Ich bin tot.“

Credits: „Baldiga – Entsichertes Herz“. Dokumentarfilm von Markus Stein. Drehbuch: Ringo Rösener. Kamera: Florian Lampersberger und Florian Geyer. Schnitt: Brigitte Maria Schmidle. Eine Produktion von Hoferichter & Jacobs Filmproduktion in Koproduktion mit Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Im Verleih bei Salzgeber.

Regie: Jürgen Ellinghaus

Kinostart: 28.11.24

Im Freien, es ist dunkel, Menschen, Alt und Jung, versammeln sich vor einer improvisierten ‚Leinwand‘. Gespannte Aufmerksamkeit. Sie sehen Bilder ihrer ‚Ahnen‘, nie zuvor gesehen, sind plötzlich konfrontiert mit der Geschichte ihres Landes: Togo. Einst eine deutsche Kolonie. Jürgen Ellinghaus ist mit Filmen des Hamburger Regisseurs Hans Schomburgk nach Togo gereist. Schomburgk – Großwildjäger, Soldat, Regisseur, Schriftsteller, ein ‚Afrikaforscher‘, wie ein zeitgenössischer Terminus heißt. 1880 geboren, 1967 gestorben. Seine Filme aus den zehner, zwanziger und dreißiger Jahren sind auf der Suche nach den ‚letzten Paradiesen‘; und findet sie, dann fühlt er sich als Herrscher im Paradies. Koloniale Träume sind diese Filmbilder. Eine erdachte afrikanische Welt zwischen Eskapismus, Ethnografie und kolonialen Ressentiments. 1913 bereiste Schomburgk mit seiner Frau Meg Gehrts die deutsche Kolonie Togo von Lomé bis in den Norden des Landes. Was er filmte ist nicht beobachtet, er zeigt es, die Kamera ist seine Waffe: Sklavenarbeit, Erniedrigung, der Hochmut des ‚weißen Mannes‘. Erstmals konfrontiert mit diesen filmischen Aufnahmen reagieren die Menschen im heutigen Togo unterschiedlich: erstaunt, bei den Älteren rufen sie noch lebendige Erinnerungen wach, Jüngere sind belustigt, sind erzürnt. Warum sehen sie diese Filme erst nach so langer Zeit? Sind sie doch Teil ihrer Geschichte. Soll man sie vorführen und, wenn ja, in welchen Kontexten. Ellinghaus‘ Film macht aber auch klar, dass diese Filme zur deutschen Geschichte gehören – zum Rassismus der Wilhelminischen Zeit und auch zur Gegenwart.

Credits: „Togoland Projektionen“. Dokumentarfilm von Jürgen Ellinghaus. Drehbuch: Jürgen Ellinghaus. Kamera: Rémi Jennequin. Schnitt: Nina Khada. Eine Produktion von maxim film, Les Films de l'oeil sauvage und Universal Grace Production. Im Verleih bei Drop-Out Cinema.

JEFF KOONS

Regie: Pappi Corsicato

Kinostart: 28.11.24

Kunst wurde zu einem Vehikel für ihn, das ihm half, sich selbst zu bestimmen. Und zu verstehen. Jeff Koons – für seine Bewunderer nur ein „Wow!“ Koons – der Neo-Pop-Art-Artist, enfant terrible der Szene, bewundert, belächelt – hoch gehandelt. Koons, der mit radikale-sensitiver Wucht Alltagsgegenstände in Skulpturen verwandelt. Er selbst tritt auf als seine eigene Skulptur. Pappi Corsicato beobachtete den Künstler über einen langen Zeitraum. Dramaturgisch sorgfältig in der Konvention. Entstanden ist dennoch ein einfühlsames Porträt, das Einblicke in ein eigenes ästhetisches Universum erlaubt und – wie nebenbei – in die Kommunikationsstrategien der Popkultur einweiht. Alles in allem: Jeff Koons. Porträt des Künstlers als er selbst.

Credits: „Jeff Koons“. Dokumentarfilm von Pappi Corsicato. Drehbuch: Pappi Corsicato. Kamera: Giuseppe Malpasso. Schnitt: Natalie Cristiani. Eine Produktion von Nexo Digital Im Verleih bei Little Dream Pictures.

NICHT OHNE MEINE TIERE

Regie: Volker Meyer-Dabisch

Kinostart: 28.11.24

Ein Film über tierische Suchthelfer. So der Untertitel des Films. Der auch eine Dokumentation bundesrepublikanischer Drogenpolitik ist. Tiere – ob Vogel, Meerschweinchen, Hund oder Katze – geben den Kranken Halt, vermitteln mit tierischem Sinn Orientierung, sind Freund und Helfer. Erzählungen vom Alltag im Milieu. Von Abhängigkeit und Desaster. Der Suchtmediziner Michael Christian Schulze erläutert die tiergestützte Therapie. Ein Dokumentarfilm über einen vergessenen Alltag, der gleich nebenan liegen kann.

Credits: „Nicht ohne meine Tiere“. Dokumentarfilm von Volker Meyer-Dabisch. Drehbuch: Michael Christian Schulze. Kamera: Andreas Gockel. Schnitt: Volker Meyer-Dabisch. Eine Produktion von Karl Handke Filmproduktion. Im Verleih bei Karl Handke Filmproduktion.

Einen Beitrag zu den neuen Dokus, die im Oktober im Kino angelaufen sind, finden Sie hier: 

zu den Kinostarts vom 07.11. und 14.10.

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Picture of Wolfgang Jacobsen
Wolfgang Jacobsen, geboren 1953 in Lübeck, bis 2019 Leiter Forschung und Publikationen an der Deutschen Kinemathek. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zur deutschen und internationalen Filmgeschichte. Arbeiten für Hörfunk und Fernsehen, schreibt über Film und Literatur. Lebt als freier Autor in Berlin.
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