Filmstill: AVERROÈS & ROSA PARKS von Nicolas Philibert

Nicolas Philiberts AVERROÈS & ROSA PARKS bei der 74. Berlinale

Mit AUF DER ADAMANT, dem einzigen Dokumentarfilm im Wettbewerb, konnte Nicolas Philibert 2023 den Goldenen Bären gewinnen. Er begleitete darin die Abläufe einer psychiatrischen Tagesklinik auf einem Boot auf der Seine. Philiberts neuer Film knüpft thematisch daran an. Im Mittelpunkt stehen die Ärzt:innen und Patient:innen zweier geschlossener psychiatrischer Stationen.
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Dieser Artikel behandelt das Leben mit und die Behandlung von psychischen Erkrankungen. Für Betroffene, Angehörige und nahestehende Personen können diese Themen belastend sein. Wir empfehlen nur weiterzulesen, wenn Sie sich dem gewachsen fühlen. Um Hilfe zu bekommen, können sich Angehörige und Erkrankte u. a. anonym und kostenlos an das Krisentelefon der Telefonseelsorge wenden (0800 1110111 und 0800 1110222). Für Kinder und Jugendliche gibt es u. a. die Nummer gegen Kummer (116 111).

Film zeigt Einzel- und Gruppensitzungen

„Averroès“ und „Rosa Parks“, die dem Film seinen Namen geben, sind Abteilungen der Klinik für Psychiatrie Esquirol in Paris. Die hier behandelten Menschen leiden unter schwerwiegenden Krankheitsbildern wie Schizophrenie, Bipolare Störung, Angst- und Panikstörungen, Psychosen, PTBS oder dem Borderline-Syndrom, die ihnen ein Leben ohne medizinische Behandlung häufig unmöglich machen. Nicolas Philibert begleitet sie in ruhigen Bildern in Einzel- und Gruppensitzungen.

Die Gespräche, die jeweils über einen Zeitraum von mehreren Minuten gefilmt werden und am Ende gut zweieinhalb Stunden unkommentiert für sich stehen, zeugen auf vielen Ebenen von großem Respekt. Die Ärzt:innen sehen hin und hören zu, versuchen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und durch passende Therapiemaßnahmen und Medikation zur Heilung (oder zumindest zur Verbesserung der Symptome) beizutragen. Das klappt mal besser und mal schlechter – aber auch das ist nun einmal das Leben.

Menschlichkeit anstatt Stigmatisierung

Der mittlerweile 73-jährige französische Dokumentarist Nicolas Philibert, der in Filmen wie ZU JEDER ZEIT, SEIN UND HABEN oder IM LAND DER STILLE seit jeher versucht, die menschliche Seele zu ergründen, tut es dem Klinikpersonal gleich. Indem er nicht urteilt und keine vorschnellen Schlüsse zieht, schafft er mit viel Empathie Raum für eine würdevolle Annäherung. Die Botschaft seines Films, der Kritik am belasteten Gesundheitswesen bewusst ausspart, ist: Psychisch kranke Menschen verdienen genauso viel Respekt wie alle anderen Mitglieder der Gesellschaft und sind so viel mehr als ihre Erkrankung, für die sie häufig stigmatisiert werden.

AUF DER ADAMANT und AVERROÈS & ROSA PARKS sind Teil einer geplanten Trilogie. Im nächsten Teil soll Pflegepersonal im Mittelpunkt stehen.

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Elisa Reznicek leitet die Online-Redaktion beim Haus des Dokumentarfilms und ist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Hauses zuständig.
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