Thomas Kufus mit dem Carl Lämmle Produzentenpreis 2023 geehrt (Foto: Severin Wohlleben)

Wir gratulieren: Carl Laemmle Produzentenpreis für Thomas Kufus

Er ist einer der großartigsten Produzenten in Deutschland. Er hat Wegmarken gesetzt und ist seit jeher leidenschaftlich, kritisch und wagemutig. Der Carl Laemmle Produzentenpreis 2023 für Thomas Kufus ist, so Andres Veiel, „in gewisser Weise überfällig“.

Zu Thomas Kufus‘ produzentischem Schaffen gehören zahlreiche preisgekrönte Dokumentar- und Spielfilme fürs Kino sowie Doku-Serien und innovative Formate fürs Fernsehen. Darunter „Der Staat gegen Fritz Bauer“, „24h Berlin – Ein Tag im Leben“, „More than Honey“, „Kulenkampffs Schuhe“, „Gerhard Richter Painting“, „Der Waldmacher“ und zuletzt „Der vermessene Mensch“ mit Weltpremiere auf der Berlinale 2023.

Mehr Überzeugungstäter als Unternehmer

Die Laudatio anlässlich der feierlichen Preisverleihung in Laupheim (Schloss Großlaupheim) am 26. Mai 2023 hielt der Regisseur Andres Veiel, seit vielen Jahren Freund und Weggefährte von Thomas Kufus. Veiel hat zusammen mit Kufus und dessen Produktionsfirma zero one film (Berlin) seine Kinodokumentarfilme „Black Box BRD“ (2001) und „Beuys“ (2017) sowie den Fernsehfilm „Ökozid“ (2020) realisiert. Wie andere Redner:innen des Abends betonte er vor allem das engagierte Handeln und die geradlinige Haltung des Produzenten. Kufus habe stets Produktionen auf den Weg gebracht,

„die gewohnte Blickwinkel in Frage stellen, die anecken, die Debatten anstoßen. Die formal und inhaltlich Neuland auskundschaften. Zugleich gehst du damit ins Risiko: Du verlässt immer wieder die sicheren Standards der Konvention – was heißt, gerade bei Dokumentarfilmen ins Offene zu reisen, den Film nach und nach im Schneideraum entstehen zu lassen. Deine Projekte haben dich und deine Firma damit immer wieder in Risikozonen getrieben, die andere gar nicht erst betreten hätten.“

Suchbewegungen – Alles andere als zufällig

Der in Recklinghausen aufgewachsene Thomas Kufus begann als Theaterenthusiast, entdeckte in Bochum das Regietheater von Peter Zadek und Claus Peymann, freundete sich dann in München mit dem Kino an und trat in Münster einem experimentellen Filmkollektiv um Robert Bramkamp bei. Das waren die Lehrjahre – oder, wie Veiel es auf einen Nenner bringt, „Crashkurs in Regie, Schauspielführung, Technik einschließlich einer selbst konstruierten Entwicklermaschine“. Es folgen eigene Dokumentarfilme. In Kufus‘ erstem Langfilm „Mein Krieg“ (1989) geht es um deutsche Soldaten, die ihren Kriegsalltag auf Schmalfilm festgehalten hatten. Veiel in seiner Laudatio:

„Die Interviews gleichen eher einem Verhör. In einem Moment gelingt es dir, deinen Gesprächspartner mit zwei gezielten Fragen vor laufender Kamera eingestehen zu lassen, zum Mörder an Zivilisten geworden zu sein. Es ist eines der atemberaubendsten – und wenn man will – auch eines der zeitlosesten Momente dieses Filmes.“

Dann kommt der Kinodokumentarfilm „Blockade“ (1991) über die Belagerung und das Aushungern von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht und schließlich, scheinbar abrupt, die Abkehr vom Beruf des Regisseurs – hin zur Berufung als Produzent. Denn Kufus hatte erkannt, dass ihn viel zu viele Projekte interessierten, als dass er sich selbst über lange Zeit ergebnisoffen mit dokumentarischen Recherchen blockieren wolle.

Produzent mit Haut und Haar

Laudator Andres Veiel hat sich als Regisseur selbst nie für einfache Themen interessiert. Es ist anzunehmen, dass er genügend Angebote hatte und hat. Für seine Projekte „Black Box BRD“ und „Beuys“, beide als dokumentarische Kinofilme unübersehbare Landmarken der deutschen Filmgeschichte nach der Jahrtausendwende, fand er im Produzenten Thomas Kufus einen kongenialen Partner.

Keines der beiden Werke war ein Spaziergang. In „Black Box BRD setzt Veiel sich mit dem Mord an Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Alfred Herrhausen auseinander. Der Biografie Herrhausens stellt er die des RAF-Terroristen Wolfgang Grams gegenüber. Der Film zeichnet das Leben zweier Deutscher, die unterschiedlicher nicht hätten sein können – und damit das Bild eines polarisierten Landes. Was Beistand, Rückendeckung und Solidarität in den Jahren der Herstellung dieses mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilms für Veiel bedeutet haben, schildert er so:

„Nach fünf Jahren Achterbahnfahrt, drei verschiedenen Treatments, von denen zwei sich nicht realisieren ließen, waren wir mit ‚Black Box BRD‘ fast am Ziel. Der Film war zur Berlinale eingeladen, der Zeitplan eng, wir hatten kurz vor der Mischung eine letzte Vorführung mit Dir und ein paar Testzuschauern. Du nahmst mich beiseite, sagtest, der Film sei noch nicht fertig, Budget hin oder her, arbeite weiter dran, wir sagen die Berlinale ab. Ich war irritiert, mehr noch: empört. Ich wollte nur eines: fertig werden – und natürlich auf die Berlinale.
Erst nach und nach war mir klar, dass es ein Geschenk ist, einen Film bis in jede Nuance ausreifen zu lassen. ‚Black Box BRD‘ ist kein Einzelfall geblieben. Immer wieder bist du auch bei anderen Projekten über den Schatten kalkulatorischer Vernunft gesprungen. Was dich und deine Firma nicht selten in seiner Existenz bedroht hat.“

Hunger nach Herausforderung – Obsession für das „Weiter“

Einen kühlen Kopf und langen Atem hat Thomas Kufus bei all seinen Produktionen bewiesen, auch in den Jahren der Bankenkrise, als viele Produktionsfirmen angeschlagen waren und ihnen die Kredite gekündigt wurden. Thomas Kufus wurde zu allem wirtschaftlichen Stress von 2009 bis 2015 Vorsitzender der Deutschen Filmakademie. Allein in diesen sechs Jahren entstanden bei zero one film rund 30 Filme. Dann kamen neben der wachsenden Dokumentarfilmproduktion Spielfilme hinzu. „Du hast mit klarem, kühlem Kopf agiert, lösungsorientiert, ohne jede Panik. Die Angst um das Projekt und die eigene Existenz – die trägst du mit dir allein aus.“

Die bewegende Laudatio von Andres Veiel auf seinen Wegbegleiter, Freund, Unterstützer und kongenialen Produzenten Thomas Kufus lässt sich in voller Länge im PDF (rechte Spalte) nachlesen. Zitiert seien abschließend Veiels Worte: „Deine Obsession kennt eben nur ein ‚Weiter‘, was für dich aber eben auch immer heißt: sich für neue Herausforderungen neu erfinden. Der Preis der Produzentenallianz ist eine Ermutigung dazu, ganz im Sinne von: ‚Es muss alles anders werden‘. Behalte den Mut und die Kraft dazu.“

Thomas Kufus mit dem Carl Laemmle Produzentenpreis 2023 © Severin Wohlleben
Die Laudatio hielt der renommierte Regisseur Andres Veiel © Nicole Hörmann
Beide sind seit langem beruflich und freundschaftlich verbunden © Severin Wohlleben
Thomas Kufus, Produzent und Geschäftsführer der zero one film © Severin Wohlleben
v.l.n.r.: Ingo Bergmann, OB Stadt Laupheim, Christine Strobel, ARD Programmdirektorin, Thomas Kufus, Preisträger, Andres Veiel, Laudator, Björn Böhning, GF Produzentenallianz © Severin Wohlleben
Das Schloss Großlaupheim bot den feierlichen Rahmen der Veranstaltung © Nicole Hörmann
zum Download der Laudatio für Thomas Kufus (PDF) bitte einfach das Bild anklicken

Carl Laemmle – Hollywood-Pionier aus Oberschwaben

Der Carl Laemmle Produzentenpreis zeichnet das Lebenswerk einer herausragenden Produzentenpersönlichkeit aus. Er wird von der Allianz Deutscher Produzenten – Film Fernsehen e.V. und der Stadt Laupheim jährlich verliehen und ist mit 40.000 € dotiert. Der Namensgeber und Filmpionier Carl Laemmle (eigentlich Karl Lämmle) wurde 1867 im Laupheim als Sohn eines jüdischen Viehhändlers geboren und hat nach seiner Auswanderung in die USA auf dem Gelände einer ehemaligen Hühnerfarm die Universal Studios begründet. Die Universal gehörte zu den mächtigsten Studios ihrer Zeit und produzierte Welterfolge wie „Der Glöckner von Notre Dame“ (1923), Das Phantom der Oper (1925) und „Im Westen nichts Neues“ (1930), auch Western und Horrorfilme gehörten zu ihrem Portfolio.

Laemmle blieb seiner oberschwäbischen Heimat stets verbunden und spendete Laupheim großzügig Geld für soziale Einrichtungen. Der Aufstieg der Nationalsozialisten setzte ihn verleumderischer Hetze aus; vom Völkische Beobachter wurde er als „Filmjude“ beschimpft. Ab 1936 organisierte Laemmle für jüdische Familien aus Laupheim und anderen Städten Unterstützung für ihre Auswanderung in die USA. Mit mehr als 300 Bürgschaften für Flüchtende rettete er auf diese Weise zahlreiche Menschen vor der Deportation in die NS-Vernichtungslager.

Zum 150. Geburtstag von Carl Laemmle rief die Produzentenallianz 2017 gemeinsam mit der Stadt Laupheim den Carl Laemmle Produzentenpreis ins Leben. Roland Emmerich, Regina Ziegler, Stefan Arndt, Nico Hoffmann, Gabriela Sperl und Thomas Kufus sind die Produzentenpersönlichkeiten, die die Auszeichnung bisher erhielten.

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Ulrike Becker
Ulrike Becker ist Geschäftsführerin und Programmleiterin im Haus des Dokumentarfilms · Europäisches Medienforum Stuttgart e.V.
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