Bild von Mann, der eine große Leinwand hält

Neu im Kino: “Die Gabe zu heilen”

Andreas Geigers Dokumentarfilm »Die Gabe zu heilen«, eine Produktion von Eikon Südwest, erzählt von fünf Heilern, die mit ihren besonderen Fähigkeiten auf unkonventionelle Art und Weise die Beschwerden ihrer Patienten lindern oder heilen.

Kinostart: 23. Februar 2017

Regisseur Geiger (»Heavy Metal auf dem Land«, »Wochenendkrieger«) verzichtet bewusst auf eine Bewertung der zum Teil skurrilen Methoden oder einer längerfristigen Überprüfung der Heilungserfolge. Er zeigt sich offen und neugierig gegenüber diesen alternativen Herangehensweisen, ohne sich vor irgendeinen Karren spannen zu lassen. Im Abspann macht er deutlich, dass er sie für eine wichtige Ergänzung zur klassischen Schulmedizin hält. Es gibt ja laut Horatio »mehr zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumt«. Eine Offenheit für solche unerklärlichen Phänomene lassen jedoch viele vermissen. »Die Gabe zu Heilen« zeigt, dass eine positive Einstellung und der Glaube daran, gesund zu werden, den Heilungsprozess stark unterstützen kann. Nicht ohne Grund sind die drei männlichen Heiler sehr religiös orientiert. Die beiden Frauen gehen rationaler an ihre Aufgaben heran. Lernt man sie näher kennen, sind viele dieser ‚Wunderheiler‘ ganz normale Menschen, die eng mit der christlichen Tradition und ihrer regionalen Kultur verbunden sind. Dies wird in opulenten Bildern des Kameramanns David Finn auch visuell umgesetzt. Man findet solche Heiler in Oberschwaben, in den Alpen, entlang der Küste und sogar in Städten. Die fünf ausgewählten Heiler sind ein Glücksfall für den Film, denn sie haben Charisma und Lebenserfahrung. Sie beweisen immer wieder auch Humor, was dem Film eine überraschende Leichtigkeit gibt. Der Alphirte Köbi Meile lebte 30 Jahre lang allein in den Bergen und hat dort oben die Kraft der Autosuggestion kennen gelernt – der Wille, der Berge versetzen kann. Mit den Broschüren »Köbis Glückspostq versucht er, sein Wissen jetzt zu verbreiten. Stephan Dalley spürt das Energiefeld eines Menschen und bringt mit Handauflegen die Seele wieder ins Gleichgewicht. Er lebt in Ludwigsburg und hat einmal die Woche offene Beratungssitzungen für Jedermann eingerichtet. Robert Baldauf ist ein gottesfürchtiger Bauer und Laienmediziner. Er pendelt die Krankheitssymptome aus – auch per Telefon – und ist von der Heilkraft seines speziell gebrauten Elixiers überzeugt, dessen Rezept er von Engeln bekommen haben will. Die Erzieherin Birthe Krabbes aus Hamburg hat ihre Fähigkeiten erst entdeckt, als sie einen Priester heiratete. Vom Erfolg ihres Tuns ist sie selbst manchmal überrascht. Ojuna Altangerel ist ausgebildete Ärztin und Schamanin mit mongolischen Wurzeln. Ihr sind die Vorgeschichten von Krankheitssymptomen und die Familienstruktur besonders wichtig. Sie alle arbeiten mit einer Mischung aus Menschenkenntnis, Lebenserfahrung und Empathie – ganz ohne Röntgenbrille oder Voodoo. Und eben mit ein bisschen mehr, das sich nicht erklären lässt. »Vielleicht ist die Renaissance von Naturmedizin und altem Heilerwissen auch ein Beispiel für einen gesellschaftlichen Clash, bei dem viele nicht mehr in der Lage sind, in unserer aufgeklärten Welt selbstkritisch zurechtzukommen und ab und zu den Heiler als ‚seelsorgenden Arzt‘ brauchen«, zieht Andreas Geiger ein Fazit seines Films. Der Camino Verleih hat den Film gerade bundesweit in 56 Kinos gestartet.
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Kay Hoffmann
Dr. Kay Hoffmann war langjähriger Studienleiter Wissenschaft im HDF und Gesamtkoordinator des DFG-Projekts „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005“. Zusätzlich ist er seit langem Kurator der DOK Premieren in Ludwigsburg.
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