Geschichtsdoku-Tipps für den Monat Dezember 2023

Die empfehlenswerten historischen Dokus im Dezember widmen sich einerseits der Geschichte der DDR und andererseits zwei langanhaltenden Krisen: dem Nordirlandkonflikt und dem Nahostkonflikt.

„Die Milliardenjagd“

Während des vierzigjährigen Bestehens der DDR hat die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) ein Umfangreiches Vermögen angehäuft: Barbestände, Devisen, Immobilien und Parteibetriebe im In- und Ausland. Mit dem Ende der DDR soll dieser „Schatz der Arbeiterklasse“ in Sicherheit gebracht werden und wird an Privatpersonen und Unternehmen transferiert. In den Folgejahren versuchen die Treuhandverwalter den verschwundenen Milliarden auf die Spur zu kommen – Millionenbeträge bleiben unauffindbar.

Visuell äußerst ansprechend im Stil einer True-Crime Doku inszeniert, erzählt Heike Bittners vierteilige Dokuserie „Die Milliardenjagd“ von diesem einmaligen Raubzug. Im Fokus steht der Journalist Peter Wensierski, der jahrelang zum Verbleib der SED-Milliarden recherchiert hat. Ergänzt wird sein Bericht durch Interviews mit weiteren Zeitzeug:innen. Umfangreiches Archivmaterial aus öffentlichen und privaten Quellen zeichnet ein lebendiges Bild der Wendezeit. So gelingt es der Doku, ein vermeintlich trockenes Thema wie Finanzbetrug spannend zu vermitteln.

  • Sendetermin: Alle vier Teile der Dokuserie sind ab dem 05.12.2023 exklusiv in der ARD-Mediathek verfügbar.
  • Credits: „Die Milliardenjagd“, eine Dokuserie von Heike Bittner. Eine Produktion von DOKFILM im Auftrag des mdr.

„Es war einmal in Nordirland“

1921 endet der Irische Unabhängigkeitskrieg mit der Teilung Irlands. Im Süden entstand der irische Freistaat, während Nordirland Teil des Vereinigten Königreichs bleibt. Doch der Norden ist tief gespalten zwischen Katholiken, die auch die Unabhängigkeit Nordirlands fordern, und den regierungstreuen Protestanten. Ab Ende der 1960er Jahre nehmen die Proteste zu und gipfeln am 30.01.1972 in der Ermordung von 13 irischen Demonstranten durch britische Fallschirmjäger. Der Tag geht als „Bloody Sunday“ in die Geschichte ein und ist der Auftakt eines blutigen Konflikts, der sich bis 1998 zieht.

In seiner dreiteiligen Dokumentation „Es war einmal in Nordirland“ lässt James Bluemel die Menschen zu Wort kommen, die diese Zeit miterlebt haben. Sie haben selbst mitgekämpft oder Freunde und Verwandte an den Nordirland-Konflikt verloren. In langen Interviews erzählen sie ihre Geschichte und geben ihre persönliche Sicht auf 30 dramatische Jahre wieder. Ergänzt wird die Inszenierung der Interviewsituation um umfangreiches Archivmaterial, das sowohl den Alltag in Nordirland zeigt als auch durch Nachrichtenmittschnitte den zeithistorischen Kontext liefert.

  • Sendetermin: Dienstag, 05.12.2023, drei Teile ab 20:15 Uhr auf Arte (Erstausstrahlung) und vom 05.12.2023 bis zum 03.03.2024 in der Arte-Mediathek.
  • Credits: „Es war einmal in Nordirland“, eine dreiteilige Dokumentation von James Bluemel. Eine Produktion von Keo Films und Walk On Air.

„Trauma ‚Tripperburg‘ – Gewalt gegen Frauen in der DDR“

Eigentlich war die Gleichstellung der Geschlechter in der DDR weiter vorangeschritten als in der Bundesrepublik. Doch tausende von Frauen sind unter dem Vorwand einer Geschlechtskrankheit auf Venerologischen Stationen, den sogenannten „Tripperburgen“, eingesperrt worden. Täglich mussten sie gynäkologische Untersuchungen über sich ergehen lassen und Zwangsarbeit verrichten. Ziel war es (wie auch in vielen anderen Einrichtungen des SED-Regimes), ihren Willen zu brechen und sie zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ umzuerziehen. Ein düsteres Kapitel, das 1989 endete und dessen Aufarbeitung erst in den 2010-er Jahren begonnen hat.

In ihrer ARD-History Doku „Trauma ‚Tripperburg‘ – Gewalt gegen Frauen in der DDR“ widmet sich Marie Elisa Scheidt dem Schicksal von fünf Frauen. In ausführlichen Interviews schildern die Betroffenen die Umstände ihrer Einweisung und die Zustände auf den geschlossenen Krankenstationen. Ergänzt werden ihre Berichte durch die Historikerin Steffi Brüning und einen Off-Kommentar, die Hintergründe zur Entstehung der Stationen beisteuern. Pointiert ausgewähltes Archivmaterial vermittelt das nötige Zeitkolorit. Das Ergebnis ist eine äußerst einfühlsame Dokumentation einer weiteren Facette der sozialistischen Diktatur.

  • Sendetermin: Montag, 11.12.2023, 23:35 Uhr in der ARD (Erstausstrahlung) und vom 11.12.2023 in der ARD-Mediathek.
  • Credits: „Trauma ‚Tripperburg‘ – Gewalt gegen Frauen in der DDR“, eine Dokumentation von Marie Elisa Scheidt. Eine Produktion von Constantin Dokumentation im Auftrag des mdr.

„Bye Bye Tiberias“

Die letzte Filmempfehlung für den Dezember widmet sich keinem singulären historischen Ereignis, sondern einem privaten Schicksal, das eng mit dem Nahostkonflikt verflochten ist. Die berühmte israelisch-französische Schauspielerin Hiam Abbas (u. A. „Lemon Tree“ und „Blade Runner 2049“) begibt sich auf eine Spurensuche in ihre eigene Geschichte. Dabei begleitet wird sie von ihrer Tochter, der Dokumentarfilmerin Lina Soualem. Während des Palästinakriegs 1948 floh die Familie aus ihrem Heimatdorf Deir Hanna, kehrte aber nach einer Zeit im Exil wieder zurück. Hiam Abbas verließ das Dorf, um in Paris Schauspielerin zu werden, während der Rest der Familie vor Ort blieb.

In intimen Gesprächen zwischen Mutter und Tochter, eingerahmt von zahlreichen privaten Videoaufnahmen und Archivbildern, wird diese Familiengeschichte nach und nach offengelegt. So entsteht ein lebendiges Familienportrait, das vom Leben als Palästinenser in Israel erzählt. Es bleibt frei von politischer Parteinahme und widmet sich ganz den privaten Lebenswegen von vier Frauengenerationen in einer krisengeschüttelten Region.

  • Sendetermin: Montag, 11.12.2023, 23:45 Uhr auf Arte (Erstausstrahlung) und vom 04.12.2023 bis zum 21.02.2024 in der Arte-Mediathek.
  • Credits: „Bye Bye Tiberias“, ein Dokumentarfilm von Lina Soualem. Eine Koproduktion von Beall Productions und Altitude 100 Production, gemeinsam mit Philistine Films und Doha Film Institute.
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Picture of Daniel Artur Schindler
Daniel Artur Schindler ist Kurator der Landesfilmsammlung Baden-Württemberg im Haus des Dokumentarfilms. In der Online-Redaktion ist er verantwortlich für die monatlichen Geschichtsdoku-Tipps.
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