Geschichtsdoku-Tipps für den Monat Juli 2023

Die empfehlenswerten historischen Dokus im Juli 2023 beschäftigen sich mit langwierigen Konflikten, die sich oft über Jahrhunderte ziehen. So beispielsweise der Kampf Schwarzer Menschen in Amerika gegen Rassismus, der Kampf um Anerkennung der LGBTQ* Community oder der osteuropäische Konflikt um Staatssouveränität.

„Eldorado“

Ab 1924 existierte in Berlin an unterschiedlichen Orten der von Ludwig Konjetschni geführte Nachtclub „Eldorado“. Er war ein Hotspot der queeren Berliner Szene während der sogenannten Goldenen Zwanziger, der auch in Romanen und auf Gemälden festgehalten wurde. Netflix hat nun einen Dokumentarfilm über dieses schillernde Beispiel des liberalen Lebensgefühls vor dem Zweiten Weltkrieg ins Programm aufgenommen.

Weil keine Archivaufnahmen davon existieren, arbeitet der aufwendig produzierte Film mit umfangreichen Reenactments der ausgelassenen Partys im Nachtclub. Archivmaterial wird jedoch verwendet, um den Alltag im Berlin der späten 1920er und frühen 1930er Jahre zu bebildern. Teile davon stammen aus der Landesfilmsammlung Baden-Württemberg im Haus des Dokumentarfilms. Darüber hinaus kommen Expert:innen zu Wort, die die Bedeutung des „Eldorado“ für die Community beleuchten und das Konfliktpotenzial angesichts eines erstarkenden Faschismus thematisieren.

  • Sendetermin: Seit dem 28.06.2003 auf Netflix.
  • Credits: „Eldorado“, ein Dokumentarfilm von Benjamin Cantu. Eine Produktion von The Thursday Company.

„Der Ku-Klux-Klan – Eine Geschichte des Hasses“

Anfang Juli widmet Arte einen Themenabend der gewaltvollen Lebensrealität Schwarzer Menschen in den USA. Ab 20:15 Uhr wird zuerst die zweiteilige Doku „Der Ku-Klux-Klan – Eine Geschichte des Hasses“ gezeigt. In zwei knapp einstündigen Episoden wird die 150-jährige Geschichte des Ku-Klux-Klans nacherzählt. Diese beginnt nach dem Ende Sezessionskrieges 1865 und dauert bis heute an. Mit Archivaufnahmen und Expert:innen-Interviews spannt der Film einen Bogen von der Gründung über die mehrfache Wiedergeburt des Klans bis zum Jahr 2020.

Die Ermordung George Floyds am 25. Mai 2020 ist eine der letzten Einstellungen des Films. Ab 22:10 Uhr erfolgt auf Arte mit der Doku „Der schwarze Aufstand“ ein Perspektivwechsel. Die gegenwärtige Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ wird in Zeitzeug:innen-Interviews portraitiert. Zudem wird eine Brücke in die Vergangenheit geschlagen, zu den Bürgerrechtsbewegungen der 1960er Jahre. Arte gelingt es mit dieser Doppelausstrahlung 150 Jahre Rassismus in den USA facettenreich und detailliert zu thematisieren.

  • Sendetermin: Dienstag, 04.07.2023, ab 20:15 Uhr auf Arte und vom 27.06.2023 bis zum 30.11.2023 in der Arte-Mediathek.
  • Credits: „Der Ku-Klux-Klan – Eine Geschichte des Hasses“, eine zweiteilige Dokumentation von David Korn-Brzoza. Eine Produktion von Roche Productions in Koproduktion mit Arte France.

„Mussolini – Der erste Faschist“

Elf Jahre vor Adolf Hitler, Im Herbst 1922, übernimmt der Faschist Benito Mussolini unter Androhung von Gewalt die Macht in Italien. Kurz zuvor hatte er die Nationale Faschistische Partei (Partito Nazionale Fascista) gegründet, die aus einem Zusammenschluss paramilitärischer Italienischer Kampfverbände hervorging. Diese Machtübernahme imponierte Hitler. Auch der Umgang der Faschisten mit dem Medium Film und der Ästhetik des Römischen Reiches hatte starken Einfluss auf die NS-Diktatur.

Den Aufstieg und Fall des „Duce“ zeichnet das ZDF in der einstündigen Geschichtsdoku „Mussolini – Der erste Faschist“ nach. Dabei handelt es sich um die Kurzfassung eines Zweiteilers von Serge de Sampigny aus dem Jahr 2021. Der Film arbeitet fast ausschließlich mit seltenem, nachkoloriertem Archivmaterial. Gelegentlich werden aktuelle Aufnahmen der jeweiligen Schauplätze eingeschnitten. Zudem wird vollständig auf Interviews verzichtet, sodass ein Sprecher von Mussolinis Werdegang berichtet. Dadurch wirkt der Film stellenweise etwas einseitig, doch die beeindruckenden Archivbilder lassen den Film dennoch nachhaltig wirken.

  • Sendetermin: Sonntag, 09.07.2023, 23:45 Uhr im ZDF (Erstausstrahlung) und vom 08.07.2023 bis zum 08.07.2028 in der ZDF-Mediathek.
  • Credits: „Mussolini – Der erste Faschist“, eine Dokumentation von Serge de Sampigny. Eine Produktion von Histodoc in Zusammenarbeit mit France Télévisions.

„Bosnien-Herzegowina – Ein zerbrechlicher Frieden“

Dreißig Jahre nach Ende des Bosnien-Krieges 1995 ist Bosnien-Herzegowina einerseits EU-Beitrittskandidat – andererseits greifen nationalistische Umtriebe und die Angst vor einer möglichen russischen Invasion um sich. Eine komplexe geopolitische Lage, die in Teilen auch den nie aufgearbeiteten, tiefsitzenden Konflikt zwischen den drei Ethnien, die das Land bewohnen: Überwiegend Bosniak:innen, Serb:innen und Kroat:innen. Mit Archivaufnahmen, Expert:innen-Interviews und Animationen macht sich die einstündige Doku daran, diese Komplexität zu entwirren.

Für ein tieferes Verständnis der Verwerfungen in Osteuropa zeigt Arte schon am 11. Juli die zweiteilige Doku „Blutiges Erbe“. Sie beleuchtet ausführlich die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, in der neue Grenzen gezogen wurden. Bis heute wirken die dadurch entstandenen Konflikte nach. Zwar wird die Situation in Bosnien-Herzegowina hier nicht thematisiert, doch das breite Panorama vom Baltikum bis zum Nahen Osten zeigt, dass die Zerbrechlichkeit des Friedens nicht nur für die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens eine Herausforderung ist.

  • Sendetermin: Dienstag, 18.07.2023, 23:15 Uhr auf Arte (Erstausstrahlung) und vom 11.06.2023 bis zum 13.01.2024 In der Arte-Mediathek.
  • Credits: „Bosnien-Herzegowina – Ein zerbrechlicher Frieden“, eine Dokumentation von Pierre-Olivier Francois. Eine Produktion von YUZU Productions zusammen mit Al Jazeera Documentary, Public Sénat, Radio Canada, RTS, SVT und Arte France.
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Picture of Daniel Artur Schindler
Daniel Artur Schindler ist Kurator der Landesfilmsammlung Baden-Württemberg im Haus des Dokumentarfilms. In der Online-Redaktion ist er verantwortlich für die monatlichen Geschichtsdoku-Tipps.
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