DOK Premiere Für die Vielen Moderator Goggo Gensch vor dem Kino Atelier am Bollwerk

So war die DOK Premiere von FÜR DIE VIELEN

Gerechtigkeit ist das große Stichwort, das sich die Arbeiterkammer Wien auf die Fahnen geschrieben hat: Regisseur Constantin Wulff widmet sich der seit 100 Jahren bestehenden Institution in seinem Dokumentarfilm FÜR DIE VIELEN.

Constantin Wulff musste sein persönliches Kommen für ein Publikumsgespräch im Atelier am Bollwerk Stuttgart wegen Krankheit kurzfristig absagen. Er ließ den Kinobesuchern jedoch eine Grußbotschaft zukommen.

Die Arbeiterkammer Wien als Opposition

Auf die Arbeiterkammer Wien wurde der Schweizer Regisseur zu einer Zeit aufmerksam, die ihm hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Entwicklungen sehr erdrückend vorkam. Es war die Zeit, in der sich laut Wulff eine „radikalisierte konservative“ Österreichische Volkspartei (ÖVP) und eine „extrem rechte“ Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) zu einer Koalition zusammenschlossen. Die Oppositionsparteien hätten dem zu dieser Zeit nichts Substanzielles entgegenzusetzen gehabt. Die einzig wahrnehmbare Gegenstimme kam aus Wulffs Sicht aus der Zivilgesellschaft sowie von den Gewerkschaften – und von der Arbeiterkammer.

Einzigartigkeit der Institution

Die Geschichte dieser Institution ist tief verwurzelt in jener der Sozialdemokratie in Österreich und der Gewerkschaftsbewegung. Ähnliche Interessensvertretungen gibt es in Deutschland beispielsweise nur in Bremen und im Saarland. In Österreich agiert die Arbeiterkammer bundesweit. Für viele Menschen sind ihre Leistungen enorm wichtig und hilfreich. Arbeiter:innen und Angestellte müssen als Mitglieder der Arbeiterkammer 0,5% ihres Bruttolohns entrichten und erhalten dafür Rechtsschutz und Beratung durch die Kammer.

Bisher ist diese einzigartige Institution in der Literatur und in Filmen unterrepräsentiert. Wulff nahm dies als Anreiz, sich dem Thema anzunehmen. „Denn für mein Verständnis von Dokumentarfilm ist es ganz zentral, dass ich Dinge entdecke, die ich vorher noch nicht kannte“, so Wulff in seinem Regiekommentar auf der Homepage des Verleihs.

DOK Premiere Für die Vielen Atelier am Bollwerk
DOK Premiere Für die Vielen Atelier am Bollwerk
Moderator Goggo Gensch bei der DOK Premiere im Atelier am Bollwerk in Stuttgart veranstaltet vom Haus des Dokumentarfilms © HDF/Günther Ahner/Salome Hanselmann

Vielfältiger Alltag der Arbeiterkammer Wien

Die Dreharbeiten begannen im September 2019 und dauerten rund zwei Jahre. FÜR DIE VIELEN zeigt den Alltag in der Arbeiterkammer. Viele Menschen sind hier auf der Suche nach Hilfe: Mal haben sie keinen Vertrag vom Arbeitgeber erhalten, mal mehrere Monate keinen Lohn. Manchen wird mit Kündigung gedroht, andere möchten sich informieren, ob und welche Aufstiegsmöglichkeiten ihr Job ihnen bietet. So vielfältig wie die Anliegen der Betroffenen, sind auch die Rat- und Hilfe-Suchenden selbst. Nicht alle sprechen Deutsch oder Österreichisch. Aber auch das ist kein Problem für die AK Wien, denn die meisten Sachbearbeiter:innen, Berater:innen oder Jurist:innen. sprechen sogar mehrere Sprachen, wie zum Beispiel Russisch, Ungarisch, Serbisch oder Kroatisch.

Filmische Machart

Constantin Wulffs filmische Methode ist das Direct Cinema, das beobachtende Kino. Die Szenen wirken nicht inszeniert, es gibt weder Interviews noch Off-Kommentar. „Bei dieser Methode muss man sich sehr viel Zeit nehmen, in der Recherche, beim Drehen und vor allem in der Montage, um über das bloße Abbilden hinauszukommen“, so Wulff. Das ist ihm durchaus gelungen. Spannend ist auch, dass Wulff die Arbeiterkammer Wien bei einer großen Werbeoffensive begleitet. Die Zuschauer:innen sind dabei, wenn im Jahr 2020 die große Werbekampagne vorgestellt wird und unter dem Motto „100 Jahre Arbeiterkammer“ der neue, futuristisch gestaltete Werbefilm gezeigt wird. Er soll vor allem die jüngere Zielgruppe ansprechen und verdeutlichen, dass die Kammer Arbeiter:innen auch in Zukunft mit Rat und Tat zur Seite steht.

Die DOK Premiere ist eine vom Haus des Dokumentarfilms kuratierte Filmreihe. Sie präsentiert einmal im Monat in Stuttgart und Ludwigsburg aktuelle Kinostarts von Dokumentarfilmen. Die jeweiligen Regisseur:innen sind für Werkstattgespräche mit dem Publikum vor Ort. Kuratoren sind Goggo Gensch (Stuttgart) und Kay Hoffmann (Ludwigsburg).

FÜR DIE VIELEN (Regie: Constantin Wulff. Produktion: Navigator Film Produktion. Mit Unterstützung des Österreichischen Filminstituts, Filmfonds Wien, FISA – Filmstandort Austria, ORF. Im Verleih bei Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. War am 1. Mai 2023 im Arthaus Kino Atelier am Bollwerk Stuttgart und im Caligari Kino Ludwigsburg zu sehen. Durch Abend und Talk führten Goggo Gensch und Kay Hoffmann vom Haus des Dokumentarfilms.

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Picture of Salome Hanselmann
Salome Hanselmann schreibt Doku-Tipps fürs lineare TV-Programm, Mediatheken und Streaming-Portale, stellt dokumentarische Podcasts vor und betreut die Social Media Kanäle mit.
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