Szene aus »Wurst mit Nebenwirkungen« © ZDF / Premières Lignes Télévision / Marc Boulay

»Wurst mit Hindernissen«

Na, dann also: »Guten Appetit«. Das muss man so sagen. Vielleicht noch: »Augen zu und durch!« Denn wer die Augen auflässt, wenn er in den saftigen Schinken und ins schmackhafte Wurstbrot beisst, läuft Gefahr, abgelenkt zu werden von der schönen rosa Farbe. Wieso ist die Wurst überhaupt so rosa – und ist das auch gesund? Das hinterfragt die französische Wissenschaftsdoku »Wurst mit Nebenwirkungen«, die 3sat am Donnerstagabend in Erstausstrahlung zeigt. Die Dokumentation entwickelt sich schnell zur investigativen Recherche gegen die Macht der Fleischlobby. Ein Kampf der mit Schweinehälften und anderen schweren Geschützen ausgefochten wird

Hinter der Lebensmittelkennung E 250 verbirgt sich ein salziges Reaktionsgemisch, das in Verbindung mit herkömmlichem Speisesalz eine ganz erstaunliche Wirkung hat: Wenn man es in Wasser auflöst und Fleisch zusetzt, verhindert es die Bildung von Bakterien drastisch und es verleiht ihm eine bleibende rosa Farbe. Hatten wir schon erwähnt, das es günstig in der Herstellung und einfach in der Lagerung ist? Kurzum: E 250 ist beim Pökeln von Fleisch ein echtes Wundermittel.


Wurst mit Hindernissen (3sat-Mediathek)

(Videos laut Sender unbefristet abrufbar)

Das Problem mit E 250, auch bekannt als Natriumnitrit: es könnte verantwortlich sein für jährliche Tausende von Krebserkrankungen bei Menschen, insbesondere Magen- und Darmkrebs. Diese Einschätzung haben Studien bereits vor 40 Jahren ergeben und seit den achtziger Jahren ist der Einsatz der chemischen Wunderwaffe gegen Keime durch die WHO begrenzt worden. Dennoch wird heute noch immer viel zu viel davon eingesetzt – sagen die einen; die Grenzen sind viel zu stark und unbegründet – argumentieren die anderen.

Von diesem Konflikt handelt Sandrine Rigauds Dokumentarfilm, der im Laufe der 60 Minuten mehr und mehr zu einer investigativen Recherche wird. Wer könnte ein Interesse daran haben, dass Bedenken am Einsatz von Natriumnitrit seit Jahrzehnten unter den Tisch gekehrt werden? Wer hat die »Strategie des Zweifels« gegen Wissenschaftler eingesetzt, die schon vor langer Zeit erkannten, dass wir uns die frisch wirkende rosa Farbe mit einer erheblichen Selbstgefährdung einhandeln? Die Reporterin folgt der Spur des Geldes und benennt die (vor allem amerikanische) Fleischlobby als mögliche Verantwortliche. Sie stellt einige Vertreter der Industrie zur Rede und erhält erstaunlich offensive Antworten: Die Arbeit im Sinne der Lobby wird nicht geleugnet, sondern als wahr und richtig dargestellt.

Szene aus »Wurst mit Nebenwirkungen« © ZDF / Premières Lignes Télévision / Marc Boulay

Szene aus »Wurst mit Nebenwirkungen« © ZDF / Premières Lignes Télévision / Marc Boulay

image_pdfAls PDF speichernimage_printDrucken
Picture of Thomas Schneider
„Ich liebe Print, ich liebe Online, ich liebe es, das Beste zwischen beiden Welten zu vereinen“, sagte Thomas Schneider über seine Arbeit. Ab 2009 war er für das HDF im Bereich Redaktion sowie PR/Marketing tätig. 2019 verstarb Schneider überraschend und viel zu früh.
Facebook
Twitter

Dies könnte Sie auch interessieren: