Geschichtsdoku-Tipps für den Monat März 2023

Im März 2023 befassen sich die empfehlenswerten Geschichtsdokus unter anderem mit der fragwürdigen Selbstdarstellung Albert Speers, der Liebe der Deutschen zum Auto und dem System chinesischer Straflager, das von 1949 bis heute Bestand hat.

„Speer goes to Hollywood“

Im kollektiven Gedächtnis gilt Albert Speer als der Chefarchitekt Adolf Hitlers, der dessen Visionen von Monumentalbauten in ganz Deutschland und insbesondere Berlin realisieren sollte. Dass er als Rüstungs- und Infrastruktur-Minister von 1942 bis 1945 auch für die Herstellung von Rüstungsgütern und damit sowohl für die Ausbeutung tausender Zwangsarbeiter:innen als auch den Betrieb und Ausbau von Konzentrationslagern verantwortlich war, ist weniger präsent. Durch geschickte Schuldeingeständnisse und Verschleierungen ist er bei den Nürnberger Prozessen der Todesstrafe entkommen und wurde lediglich zu 20 Jahren Haft verurteilt. Nach Ende der Haftstrafe veröffentlichte er 1969 seine „Erinnerungen“ und 1975 die „Spandauer Tagebücher“, die sein Image weiter aufpolieren sollten.

1971 plante die Paramount, das erste Buch zu verfilmen und der Drehbuchautor Andrew Birkin traf sich zu zahlreichen Gesprächen mit Speer. Diese Aufnahmen, die im Film allerdings von zwei Schauspielern nachgesprochen werden, dienen Vanessa Lapa als Grundlage für ihre 2021 mit dem Ophir Award als bester Dokumentarfilm ausgezeichnete Produktion. Ihnen gegenübergestellt werden Aufzeichnungen, die Speers Beteiligung am Naziregime in ein anderes Licht rücken sollen. So entsteht ein eindringliches Bild eines Täters, der sich von seiner Verantwortung reinzuwaschen versucht und der komplexen Rezeptionssituation dieser Selbstdarstellung.
  • Sendetermin: Montag, 13.03.2023, 22:25 Uhr auf 3sat (Erstausstrahlung).
  • Credits: „Speer goes to Hollywood“, ein Dokumentarfilm von Vanessa Lapa. Eine Produktion von Realworks und Yes Docu in Zusammenarbeit mit dem ORF.

„Mythos Auto – wirklich unser liebstes Kind?“

Seit dem Bau des „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ vor über 130 Jahren durch Carl Benz in Mannheim ist das Auto eng mit dem Selbstverständnis Deutschlands als Industrienation verbunden. Was für die einen ein aus der Zeit gefallenes Fossil ist, verstehen andere als den Inbegriff von Freiheit, in den viel Zeit und Geld investiert wird. Dieser langen, komplexen Beziehung widmet sich die kurzweilige Doku „Mythos Auto“ in der Reihe „Terra X History“ – so der neue Name des Sendeplatzes für historische Dokumentationen in der Nacht von Sonntag auf Montag im ZDF, der bisher „ZDF-History“ hieß.

Während prominente Persönlichkeiten wie die Schauspielerin Gerit Kling ihre privaten Autogeschichten erzählen, zeichnen Wissenschaftler:innen die Bedeutung des Autos für die Entwicklung des Alltagslebens nach. Die Interviews werden kombiniert mit Archivaufnahmen, die eine sich ständig ändernde Beziehung zum Auto zeigen. Über eine Minute dieser Archivaufnahmen stammt aus der im Haus des Dokumentarfilms angesiedelten Landesfilmsammlung Baden-Württemberg.

  • Sendetermin: Sonntag, 19.03.2023, 23:45 Uhr, im ZDF (Erstausstrahlung) und vom 20.03.2023 in der ZDF-Mediathek.
  • Credits: „Mythos Auto“, eine Dokumentation von Christina Dierschke und Greta Zimmermann. Eine Produktion von Bewegte Zeiten Filmproduktion im Auftrag des ZDF.

„Verschollene Filmschätze“

Mit dem zehnteiligen Format „Verschollene Filmschätze“ geht Arte auf Spurensuche in Filmarchiven. Es werden hier nicht nur einzelne historische Ereignisse betrachtet, sondern explizit seltene Aufnahmen dieser Ereignisse. Sie werden in ihren historischen Kontext gestellt und ihr Entstehungszusammenhang detailliert erläutert. Was hat zum jeweiligen Ereignis geführt? Was genau ist geschehen und was waren die Folgen? Es wird zudem genau geklärt, warum und wie gedreht worden ist, bis hin zur Positionierung einzelner Kameras – oder eben auch, warum keine Kameras zugelassen waren.

In detektivischer Kleinarbeit werden die Aufnahmen immer wieder angehalten und zurückgespult, um einzelne Details hervorzuheben. Zu den ausgewählten Ereignissen zählen eine Expedition der USA zum Südpol (1929), ein Treffen des britischen Premierministers Neville Chamberlain mit Adolf Hitler (1938) oder auch das Begräbnis von Charles de Gaulle (1970). Im Fernsehen werden die zehn 26 Minuten langen Filme meist freitags gegen 11 Uhr mittags ausgestrahlt. Die historische Dokumentarfilmreihe ist außerdem in der Arte-Mediathek verfügbar.

  • Sendetermin: Nächste Episode am Freitag, 17.03.2023, 11:40 Uhr, auf Arte. Alle Episoden vom 24.02.2023 bis zum 01.09.2023 in der Arte-Mediathek.
  • Credits: „Verschollene Filmschätze“, eine zehnteilige Dokureihe von Serge Viallet. Eine Produktion von Arte France.

„Chinas Straflager“

Spätestens seit Erscheinen der „Xinjiang Police Files“ Mitte 2022 sind die chinesischen Umerziehungslager, in denen Uiguren Zwangsarbeit leisten müssen, großflächig bekannt. Doch schon nachdem Mao Zedong 1949 den Vorsitz über die Kommunistische Partei Chinas übernommen hatte, wurde ein System von Straflagern etabliert und konstant weiterentwickelt.

Sowohl durch Interviews mit Expert:innen und ehemaligen Gefangenen als auch durch Archivaufnahmen von außerhalb und innerhalb der Gefängnisse wird die geschichtliche Entwicklung des Lagersystems von einem Instrument der politischen Kontrolle zu einem bedeutsamen Pfeiler des Wirtschaftswachstums nachgezeichnet. Mit ihrem Dokumentarfilm erzählt die Regisseurin Tania Rakhmanova diese Geschichte in zwei Teilen: Der erste widmet sich den 27 Jahren von Maos Herrschaft, während der zweite die zahlreichen Metamorphosen des Systems in den vergangenen 47 Jahren unter Maos Nachfolgern ins Zentrum stellt. So wird eine Kontinuität offenbar, die die aktuelle chinesische Regierung weit von sich weist.
  • Sendetermin: Dienstag, 28.03.2023, zwei Teile ab 20:15 Uhr auf Arte (Erstausstrahlung) und vom 21.03.2023 bis 28.06.2025 in der Arte-Mediathek.
  • Credits: „Chinas Straflager“, ein zweiteiliger Dokumentarfilm von Tania Rakhmanova. Eine Koproduktion von Yami 2 und Arte France.
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Daniel Artur Schindler
Daniel Artur Schindler ist Kurator der Landesfilmsammlung Baden-Württemberg im Haus des Dokumentarfilms. In der Online-Redaktion ist er verantwortlich für die monatlichen Geschichtsdoku-Tipps.
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