Werner Herzog setzt Vulkanforschenden ein filmisches Denkmal

Den Ausnahmevulkanolog:innen Katia und Maurice Krafft wurde ihre Faszination für flüssiges Gestein zum Verhängnis. Mit „Die innere Glut – Requiem für Katia und Maurice Krafft“ setzt der Regisseur Werner Herzog ihnen ein außergewöhnliches Denkmal.

Leben für die Leidenschaft

Am Anfang des Films steht die Information, dass die Kraffts am 3. Juni 1991 bei einem Vulkanausbruch am japanischen Kyushu an den Hängen des Unzen ums Leben kommen werden. Auf diesen Fixpunkt läuft der gesamte Film unaufhaltsam zu. Von dort aus richtet Herzog seinen durchaus subjektiven Blick in die Vergangenheit der berühmten französischen Forschenden. Ihrem Kennenlernen in den 1960er Jahren an der Universität folgt eine außergewöhnliche Laufbahn, die Herzog nur grob nachvollzieht, denn eine detailgenaue Biografie ist nicht sein Anspruch. Vielmehr geht es ihm um ein Destillat dessen, was ihre Leidenschaft ausmachte.

Faszination Vulkan by Maurice und Katia Krafft/Dumont

Außergewöhnliche Filmaufnahmen

Katia und Maurice Krafft erlangten internationale Bekanntheit, weil sie häufig als erste vor Ort eintrafen, wenn ein Vulkan ausbrach. Um ihre Forschung zu finanzieren, begannen sie mit der sich zunehmend professionalisierenden filmischen Dokumentation ihrer Expeditionen. Sie scheuten nicht davor zurück, extrem nah an die Lavaströme heranzutreten. Für ihren Wagemut belohnt wurden sie mit bis dato ungesehenen Aufnahmen, die sie unter Anderem öffentlichkeitswirksam für Bildungszwecke nutzten.

Noch heute sind diese Bilder von atemberaubender Schönheit. Gleichzeitig zeugen sie von der Zerstörungswut, der die beiden erfahrenen Vulkanforschenden letztendlich zum Opfer fielen. Gemeinsam mit 41 weiteren Menschen wurden sie in Japan von einem Pyroklasmastrom erfasst; einer extrem schnellen Lawine aus giftigem Gas und heißen Gesteinsbrocken. Noch am Tag vor dem Unglück freuten sich die Kraffts, sie hätten dermaßen vielen Vulkanausbrüchen beiwohnen dürfen, dass der Tod sie nicht mehr ängstige.

Geteilte Faszination

Werner Herzog teilt ihre riskante Leidenschaft. Für seinen Kurzdokumentarfilm „La Soufrière – Warten auf eine unausweichliche Katastrophe“ reiste er 1977 selbst einmal zu einem aktiven Vulkan auf Guadeloupe, der ihn und sein Team hätte verschlingen können. Nach seinem zweiten Vulkanfilm „In den Tiefen des Infernos“ von 2016 ist „Die innere Glut“ also bereits sein dritter Film, in dem feuerspeiende Berge eine entscheidende Rolle spielen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Werken wird Herzog nun zum Schreibtischtäter: aus hunderten Stunden 16mm-Filmmaterial schält er die Essenz dessen heraus, was die Kraffts zu ihrer gefährlichen Arbeit motivierte.

Herzogs „ekstatische Wahrheit“

Wie so häufig in den nonfiktionalen Werken Herzogs, wird hier Material mit genuin dokumentarischem Charakter stark verdichtet und fantastisch überhöht. Dabei entstehen Momente von berückender Schönheit. Überdies entwickelt seine unverwechselbare Stimme in Kombination mit der sakral anmutenden musikalischen Untermalung eine hypnotische Sogwirkung, in der sich die tragische Unausweichlichkeit des Krafft’schen Schicksals zementiert.

Das in diesem Jahr veröffentliche filmische Portrait „Die innere Glut – Requiem für Katja und Maurice Krafft“ ist noch bis zum 29.11.2022 in der Arte Mediathek abrufbar.

Herzog-Biografie bei DOK Premiere


Der mittlerweile 80-jährige Filmemacher, Schriftsteller, Schauspieler und Synchronsprecher Werner Herzog zählt laut TIME zu de 100 erfolgreichsten Personen der Welt. 2022 erhielt er den Ehrenpreis des Deutschen Dokumentarfilmpreises. In der Oktoberausgabe der monatlich stattfindenden Reihe DOK Premiere wird die Biografie „Werner Herzog – Radical Dreamer“ gezeigt. Am 27. und 31. Oktober 2022 stellen die Kuratoren der Reihe, Goggo Gensch (Stuttgart) und Kay Hoffmann (Ludwigsburg), den Film in Anwesenheit des Filmemachers Thomas von Steinaecker für das Publikum zur Diskussion.