Berlinale VI

Berlinale und Dokumentarfilme VI

Landarbeiter in Brasilien, Bertolt Brecht, die amerikanische Filmkritikerin Pauline Kael und schließlich die deutsche Punkband »Die Toten Hosen« standen im Mittelpunkt von Dokumentarfilmen, die Kay Hoffmann heute vorstellt. Am Abend werden die diesjährigen Preise vergeben.
Vier Jahre begleitete die brasilianische Filmemacherin Camila Freitas für den Film »Chao« eine Gruppe von Arbeiterinnen und Arbeiter, die darum kämpfen, selbst zu einem Stück Land zu kommen. Sie haben sich organisiert und andere hatten vor ihnen schon Erfolg mit ihren Aktionen. Doch bei dieser Gruppe geht es nicht richtig voran. Sie besetzen Land, bauen ihre einfachen Hütten auf und fangen an, Gemüse anzupflanzen. Doch die erhoffte Einigung mit den Eigentümern oder Politikern kommt nicht zu stande. In ruhigen Bildern und langen Einstellungen wird der Alltag dieser Gruppe und die endlosen Diskussionen gezeigt, die Einblicke in ihre Situation ermöglichen. Mit fast zwei Stunden Länge brauchte man schon etwas Geduld für diesen Film.

Brecht Foto Michael Praun WDR
»Brecht« | Foto: Nik Konietzny und WDR

Das neue Doku-Drama »Brecht« vom Altmeister Heinrich Breloer hat sogar eine Länge von drei Stunden, das als Zweiteiler fürs Fernsehen angelegt ist. Den jungen Brecht spielt Tom Schilling, den alten Burghart Klaussner. Ausserdem natürlich Schauspielerinnen, die die Rollen der zahlreichen Frauen spielen, mit denen Brecht Liebschaften hatte. Einige heiratete er und hatte auch Kinder mit ihnen. Dies Privatleben wird neben seinen Erfolgen am Theater nicht ausgespart. Es wird deutlich, wie er seine Partnerinnen für sein kreatives Schaffen ausnutzte, um sie bald durch Jüngere zu ersetzen mit der nächsten Affäre.  Auch sein Agieren in unterschiedlichen Systemen spielt eine wichtige Rolle dieser Produktion. Breloer und seinem Team gelingt es wieder auf herausragende Weise, die inszenierten Passagen mit historischen Aufnahmen und Fotos zu verknüpfen und so ein Stück Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen. Das Material schließt oft ohne Übergang an.
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»What She Said: The Art of Pauline Kael« | Foto: 29pictures

Pauline Kael war in den USA eine wichtige Filmkritikerin vor allem für die Zeitschrift ‚The New Yorker‘.  Für sie als Frau, war es nicht einfach, sich in der Männerwelt des Films durchzusetzen. Oft vertrat sie andere Meinungen und beurteilte die Filme aus ihrer eigenen Perspektive. Dafür wurde sie von den einen geliebt und von den anderen gehasst. Sie wäre dies Jahr hundert Jahre alt geworden. In seinem Debütfilm »What She Said: The Art of Pauline Kael« liefert Rob Garver ein eher konventionelles Portrait mit vielen Filmausschnitten und Interviews mit Prominenten und Wegbegleitern. Einige der Aussagen lassen sich sicher vor allem goutieren, wenn man die amerikanische Szene kennt und die Anspielungen einordnen kann.
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»Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour | Foto: avanti media fiction

Viele Fans der Toten Hosen kamen zum Friedrichstadtpalast für den Dokumentarfilm »Weil Du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour« von Cordula Kablitz-Post. Unter ihnen auch Wim Wenders und Monchi, der Sänger von Feine Sahne Fischfilet. Die Stimmung war phänomenal und die Erwartungen des Publikums wurden voll erfüllt. Denn die Gruppe spielt im Film viele ihrer Klassiker, die ihre Fans lieben und mitsingen können. Erzählt wird mit einer dynamischen Kamera. Insgesamt gab es 180 Stunden Material, das hier gekonnt verdichtet wurde. Interviews mit den Musikern, ihren Mitarbeitern und Freunden erläutern die Geschichte ihrer Songs und die Entwicklung dieser Punkband, die längst Stadien im In- und Ausland füllen, aber auch in kleineren Locations auftreten. Eine große Fangemeinde haben sie sogar in Argentinien. Nach einem Hörsturz von Campino mussten sie die Tour für fünf Wochen unterbrechen. Deutlich wird das Engagement der Band gegen Rechts. Nach der Vorführung gab es tosenden Applaus für die Band, die Regisseurin und ihr großes Team. »Weil Du nur einmal lebst« wird im März im deutschen Kino starten.
Foto: Szene aus »Chao« | Foto: Camila Freitas