»Beuys« von Andres Veiel

Jahrelange hat er recherchiert und vorbereitet und als dann endlich alles Material zusammen war, dauerte der Schnitt ganze 18 Monate. Die Geduld des Produzenten Thomas Kufus (zero one film) und des Filmemachers Andres Veiel indes hat sich ausgezahlt. Im Schneideraum wurde »Beuys« zu einem Meilenstein, »Beuys« war schon in seinem Veröffentlichungsjahr 2017 einer der wichtigsten Dokumentarfilme des Jahres. Mit ein wenig Zeit und einigen Filmpreisen später zeigt sich, dass hier ein Meisterwerk gelungen ist. Arte zeigt den Film noch bis 9. Oktober in der Mediathek. Ein Pflichttermin.

Andres Veiel wurde schon als Jugendlicher geprägt von Joseph Beuys, denn er war sozusagen ein Gegenmodell zu seinem bürgerlichen Alltag in der Schule und zu Hause. Im Deutschen Herbst und der dadurch erstarrten Gesellschaft hätte Beuys Bewegung reingebracht mit seinen politischen Ideen. Denn er gehörte zu den Gründern der Grünen. In der Zeitschrift »Spiegel« wurde vor allem kritisiert, dass verschiedene politische Aspekte von Beuys wie seine Nähe zu rechten Strömungen in den 1970er Jahren oder zur Anthroposophie nicht im Film erwähnt werden.

Der Film hat eine besondere Produktionsgeschichte, denn er war zunächst ganz anders geplant. Veiel hat über 20 Wegbegleiter und Zeitzeugen interviewt und sein Kameramann Jörg Jeshel hat weltweit zahlreiche Kunstwerke von Beuys in Museen aufwändig gedreht. Eigentlich waren nur 30 Prozent Archivaufnahmen vorgesehen; im endgültigen Film sind es rund 95 Prozent. Diese Neuausrichtung war kein einfacher Entscheidungsprozess, doch es war notwendig, denn die erste Fassung des Films war nett, aber doch eher ein klassischer biographischer Dokumentarfilm vom Aufstieg, Anerkennung bis zum Tod.


Beuys (Arte-Mediathek)

(Video laut Sender abrufbar bis 9. Oktober 2018)

Nachdem Monika Preischl über 400 Stunden Film- und Videoaufnahmen zu Beuys gefunden hatte und außerdem zehntausende an Fotos und Stunden an Interviews und O-Tönen von Beuys, waren die beiden Cutter Stephan Krumbiegel und Olaf Voigtländer gefordert, eine Form zu finden. Voigtländer schlug die grafische Gestaltung wie bei Kontaktbögen vor und sie funktionierte. Von daher ist es ihnen dadurch gelungen, ein Gesamtkonzept für den Film zu entwickeln, das die Zuschauer verblüfft.

Dabei gingen sie durchaus auch unterschiedlich an das Material heran, wie sich Andres Veiel an den Produktionsprozess erinnert: »Vor allem Olaf war jemand, der von einer ganz anderen Seite gedacht hat, der gesagt hat, gut, du machst deine Inhalte, aber ich schaue jetzt nochmal auf die Szene, ich finde da noch was. Dadurch ging es assoziativ viel stärker in die dramaturgischen Nebeneingänge. Ich wollte immer durch den Haupteingang, und Olaf sagte: Ich sehe da ein kleines Fenster, lass uns doch da mal einsteigen.« Ihren Anteil, dass dies Experiment gelungen ist hat auch die Musik von Ulrich Reuter und Damian Scholl sowie das Sounddesign von Matthias Lempert, der oft Töne und Geräusche aus den Originalquellen nutzte. So entsteht ein Gesamtkunstwerk, wie es sich das Team erhofft hatte.

Die selbst für einen Dokumentarfilm lange Schnittzeit von 18 Monaten wurde durch den Produzenten Thomas Kufus möglich, der das Team auf einem interessanten Weg sah, sich mit Beuys auf eine völlig neue Art auseinanderzusetzen und ihn dabei selbst sprechen zu lassen. Selbst die Widersprüchlichkeit in seinen Aussagen beispielsweise zu seiner Luftwaffen-Karriere im Zweiten Weltkrieg ist dadurch möglich. Der Film ist eine spannende Zeitreise in die 1970er und 1980er Jahre, als die Gesellschaft politisch aktiv war und durch einige Umbrüche geprägt wurde.

Die lange Produktionszeit und die innovative, aber kostspielige Arbeit im Schneideraum hat sich ausgezahlt: »Beuys« wurde mit zwei Deutschen Filmpreisen (Bester Dokumentarfilm, Bester Schnitt) ausgezeichnet und war in einer dritten Kategorie (Beste Musik) nominiert.

(Kay Hoffmann/Thomas Schneider)