Deutscher Dokumentarfilmpreis: »Of Fathers and Sons« gewinnt den Hauptpreis

Die Gewinner des Deutschen Dokumentarfilmpreises 2018 und der Sieger in vier weiteren Kategorien stehen fest. Die zum Abschluss des SWR Doku Festivals und des Branchentreffs Dokville am Freitagabend in Stuttgart verliehenen Auszeichnungen haben eine Preissumme von insgesamt 37.000 Euro. Der größte Teil davon entfällt auf Talal Derki und seinen 99-minütigen Dokumentarfilm »Of Fathers and Sons«

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Gewinner des Deutschen Dokumentarfilmpreises 2018: »Of Fathers and Sons«

Die vom Südwestrundfunk (SWR) und der MFG Filmförderung Baden-Württemberg vergebene Auszeichnung »Deutscher Dokumentarfilmpreis 2018« und damit das Preisgeld von 20.000 Euro gehen an Talal Derki. Der mit 4000 Euro dotierte Preis der »STZ Leserjury« wird an Florian Opitz für »System Error« verliehen. Der Förderpreis des Haus des Dokumentarfilms (HDF) mit einem Preisgeld von 3000 Euro geht an »Shut up and play the Piano« von Philipp Jedicke, der mit 5000 Euro dotierte Preis der Norbert Daldrop Förderung für Kunst und Kultur an »The Poetess« von Stefanie Brockhaus und Andy Wolff. Neu in diesem Jahr ist der mit 5000 Euro dotierte Musikpreis der Opus GmbH für einen dokumentarischen Film aus dem Bereich Musik – gekürt wurde »The Potential of Noise – Conny Plank« von Stephan Plank und Reto Caduff.

SWR-Intendant Peter Boudgoust betonte bei seiner Festrede im Stuttgarter Kino Metropol: »In Zeiten von immer schneller werdenden Nachrichten und auch manchmal viel zu vielen unterschiedlichen Informationen wird nochmals deutlicher, wie sehr wir den Dokumentarfilm brauchen. Er zeigt die Phänomene, etwa von Globalisierung, Migration und Terrorismus. Er kann die komplexen Strukturen sichtbar machen, Menschen und ihre Geschichten authentisch zeigen, Zwischentöne zulassen. Wie auch schon im vergangenen Jahr beim Festival deutlich geworden ist, müssen wir uns über die herausragende Qualität des deutschsprachigen Dokumentarfilms keine Sorgen machen.«

Mit dem gemeinsamen Preis von SWR und der MFG Filmförderung Baden-Württemberg wurde der Dokumentarfilm »Of Fathers and Sons« (deutscher Filmtitel: »Kinder des Kalifats«) ausgezeichnet. Filmemacher Talal Derki kehrte dafür in seine Heimat Syrien zurück. Dort gewann er das Vertrauen einer radikal-islamistischen Familie und begleitete ihren Alltag über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren. Die Jury begründet ihre Entscheidung folgendermaßen: »Der Film führt uns in eine fremde, essentiell verstörende Welt, ohne Schutz, aber mit großer dokumentarischer Geduld, mit unwiderstehlichen Bildern, erzählerischer Präzision, mit tiefem Respekt vor der Widersprüchlichkeit des menschlichen Daseins. […] Die Welt von ‚Of Fathers and Sons‘ ist diejenige radikaler Islamisten in Syrien. […] Als Filmemacher konnte er sie besuchen, wieder verlassen und uns das Privileg verschaffen, aus ihren Widersprüchen und ihrer Tragik zu lernen.« »Of Fathers and Sons« ist eine Produktion von Basis Filmproduktion in Koproduktion mit Ventana Film, Cinema Group Production, SWR und rbb in Zusammenarbeit mit Arte und Impact Partners.

Der Preis der »STZ Leserjury« geht an Florian Opitz für seinen Film »System Error«. Die bereits zum zweiten Mal von der Stuttgarter Zeitung vergebene Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 4000 Euro dotiert. Die Leserjury kommentiert: »Florian Opitz zeigt, wohin grenzenloses Wachstum führt – in ungewöhnlichen und erschreckenden Perspektiven aus aller Welt. Sei es auf der Rinderfarm in Mato Grosso oder auf dem Flughafen von Peking [.] […] Ohne erhobenen Zeigefinger wird uns auch durch beeindruckendes Archivmaterial vor Augen geführt, was uns erwartet, wenn dieser Wahnsinn so weitergeht: Die Welt gibt es nur einmal.« Der Film wurde produziert von Port au Prince Film & Kultur Produktion GmbH, Florian Opitz, Spring Productions; Koproduktion: WDR, BR in Zusammenarbeit mit Arte; Filmförderung: Film- und Medienstiftung NRW, BKM, FFA, DFFF

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»Shut up and play the Piano« gewinnt Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms

Der mit 3000 Euro dotierte Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms geht an »Shut up and play the Piano«, das Debüt des Regisseurs Philipp Jedicke. Der Film dokumentiert Chilly Gonzales’ Weg aus seiner kanadischen Heimat über die Berliner Underground-Szene in den 1990er Jahren bis zu den Konzerthäusern der Gegenwart. Die Jury kommentiert: »Im Fokus von ‚Shut up and play the Piano‘ steht die Musik, deren Rhythmus Jedicke stets folgt, ohne auf einen eigenen Rhythmus zu verzichten. […] Über allem, was Jedickes schlau komponierte Künstlerbiographie über Chilly Gonzales zu sagen hat, steht freilich der früh formulierte Zweifel, ob das Gezeigte wahr oder nur eine weitere großangelegte (Selbst-)Inszenierung, ein großer Bluff ist. Das Erkenntnisinteresse des Dokumentarfilmers damit zugleich zu reflektieren und infrage zu stellen, ist eine souveräne Geste des Debütanten. Und der Clou des Films.« Produktion: Deutschland 2018; 82 Min; Buch und Regie: Philipp Jedicke; Produzent: Rapid Eye Movies; Koproduzenten: Gentle Threat (Melinda Cody, Chilly Gonzales); Filmförderung: Film und Medienstiftung NRW.

5000 Euro Preisgeld gehen an Stefanie Brockhaus und Andy Wolff für ihren Film »The Poetess«. Der Film porträtiert die Dichterin Hissa Hilal, die es als erste Frau überhaupt ins Finale der TV-Show »Million‘s Poet« in Abu Dhabi schaffte – verschleiert und mit dem notwendigen Einverständnis ihres Ehemannes. In ihren Werken äußert Hilal starke Kritik an der patriarchal organisierten Gesellschaft der arabischen Welt, an Terrorismus und an dem Weltbild von Islamisten. Die Jury lobt die Filmemacherinnen und Filmemacher. Sie »lösen beeindruckend den scheinbaren Widerspruch eines Porträts einer verhüllten Protagonistin. In frontalen Interviews kann die Person unter der Nikab nicht nur durch die Kraft ihrer Sprache, sondern auch durch ihre beeindruckende und mutige Künstlerpersönlichkeit eine ungeheure Wucht und filmisches Charisma entfalten.« Der Film ist eine Produktion von Brockhaus/WolffFilms im Auftrag von Arte und ZDF mit Unterstützung des FilmFernsehFonds Bayern.

Ebenfalls 5000 Euro Preisgeld gehen mit dem in diesem Jahr erstmals verliehenen Musikpreis der Opus GmbH an Stephan Plank und Reto Caduff für »The Potential of Noise – Conny Plank«. Die Jury lobt: »Künstler und Zeitzeugen vermitteln Stephan Plank auf seiner Reise tiefe Einblicke in kompromisslose Suche nach der Authentizität von Künstlern und damit den für ihre Kunst passenden Sound. In ruhigen, schönen Bildern, in alten Aufnahmen und Rückblenden, erfährt der Zuschauer wie komplex, empathisch und kreativ die Arbeit eines Musikproduzenten sein kann – aber auch wie stilbildend. Und fast beiläufig lernen wir viel über Pop – und kulturhistorische Entwicklungen der 70er und 80er Jahre in Deutschland und Europa.« Produktion: Deutschland 2017; 80 Min.; Buch und Regie: Stephan Plank und Reto Caduff; Produzent: Sugar Town Filmproduktion, Seneschall; Koproduktion: Cine +, WDR in Zusammenarbeit mit Arte und zischlermann filmproduktion; Filmförderung: BKM FFA DFFF Filmstiftung

Preisverleihung im Rahmen des SWR Doku Festivals

Der Deutsche Dokumentarfilmpreis wird seit 2017 jährlich (zuvor zweijährig) vom Südwestrundfunk (SWR) und der MFG Filmförderung Baden-Württemberg gestiftet. Die Preisverleihung fand dabei zum zweiten Mal im Rahmen des SWR Doku Festivals statt. Hier wurde drei Tage lang in der Stuttgarter Königstraße der rote Teppich für das Publikum ausgerollt; an drei Spielstätten wurden 67 Filme gezeigt. Überdies lockten zahlreiche, frei zugängliche Hintergrundgespräche Interessierte in die SWR Doku Lounge im Haus der Katholischen Kirche. Auch die Verzahnung des Branchentreffs Dokville mit dem Publikumsfestival war erfolgreich, es gab einen lebhaften Austausch bei den Filmvorstellungen oder in persönlichen Gesprächen.

(SWR)