DOK Premiere: Gelungener Neustart in Ludwigsburg am 10.7.

Am Samstag fand mit „Vor mir der Süden“ von Pepe Danquart der Auftakt unserer erfolgreichen Filmreihe DOK Premiere im ausverkauften Caligari Kino Ludwigsburg statt. Es war die erste DOK Premiere seit Oktober 2020, da die Kinos pandemiebedingt geschlossen waren.

Mit Pepe Danquart kam einer der wichtigsten deutschen Regisseure zum Neustart der Reihe. Diese wird seit langem vom Haus des Dokumentarfilms in Kooperation mit dem Caligari in Ludwigsburg veranstaltet und ist seit vergangenem Jahr zudem an ausgewählten Terminen im Stuttgarter Arthaus Kino Delphi zu Gast. 

Pepe Danquart – preisgekrönter Regisseur und Produzent

Danquart realisiert sowohl Dokumentar- als auch Spielfilme und ist seit 2008 Film-Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. In seinem aktuellen Dokumentarfilm „Vor mir der Süden“ begibt sich Pepe Danquart auf eine Reise entlang der italienischen Küste auf den Spuren von Pier Paolo Pasolini.

Pepe Danquart und Kay Hoffmann vor dem Caligari in LudwigsburgNach ersten Super 8 Filmen war Pepe Danquart 1977 einer der Initiatoren der Medienwerkstatt Freiburg. Das sich als radikal politisch verstehende Videofilm-Kollektiv realisierte bis 1991 mehr als 30 Dokumentarfilme und agitatorische Kunstvideos und erhielt 1987 den Dokumentarfilmpreis der deutschen Filmkritik für das künstlerische Gesamtwerk. 1989 verließ Pepe Danquart das Kollektiv und drehte in Berlin seinen ersten kurzen Spielfilm. Für „Schwarzfahrer“ (1994) über Alltagsrassismus erhielt er einen Kurzfilm-Oscar. „Nach Saison“ über die von zwei Bürgerkriegen zerstörte Stadt Mostar wurde auch international mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Seitdem arbeitete er mit Mirjam Quinte als Produzentin für seine Dokumentarfilme zusammen. Die beiden waren auch die deutschen Koproduzenten Michael Glawoggers herausragenden Dokumentarfilmen „Whores‘ Glory“ (2011) und „Working Mans Death“ (2005), der eine Lola gewann.

Dokumentartfilme auch im Kino erfolgreich

 iele Zuschauer:innen kennen Pepe Danquarts spannende Sporttrilogie: „Heimspiel” (1999), ein Film zur Wiedervereinigung anhand der Berliner Eishockeymannschaft „Eisbären“. Dieser unterstrich die Kinotauglichkeit dokumentarischer Filme und gewann einen Deutschen Filmpreis für die Beste Regie. „Höllentour” (2004) setzte mit der Darstellung der Leidens- und Freundschaftsfähigkeit der Radprofis während der Tour de France neue Maßstäbe. „Am Limit“ (2007), der Film über die Extremkletterer Thomas und Alexander Huber, war ebenfalls in den Kinos sehr erfolgreich. Alle drei Filme wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. „Joschka und Herr Fischer“ (2011) machte mit einem innovativen filmästhetischen Konzept 60 Jahre deutsche Geschichte jenseits klassischer Porträt- oder Historienfilme visuell erfahrbar.  

Mit „Vor mir der Süden“ auf Pasolinis Spuren

Für „Vor mir der Süden“ reiste Pepe Danquart mit einem jungen, kleinen Team neun Wochen die italienische Küste entlang. Inspiriert haben ihn Reportagen von Pier Paolo Pasolini, der 1959 eine entsprechende Reise unternahm und dabei Italien im Umbruch porträtierte. Das Team war jeweils zwei bis drei Tage an den Orten und die meisten der Interviewpartner:innen wurden spontan gefunden. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen Handwerker, Arbeiter und klassische Einzelhandelsgeschäfte, die allen einen harten Existenzkampf führen.

Filmstills aus “Vor mir der Süden” © NEUE VISIONEN FILMVERLEIH

Filmstill Vor mir der Süden von Pepe Danquart

„Ich suchte Wahrhaftigkeit allein durch eine vorgegebene Reiseroute, die mich insofern frei von inhaltlichen Zwängen machte, da ich keinem bestimmten engen Themen hinterherreiste. Ich war offen für das, was bei einer Reise passiert“, so Danquart zu seinem Konzept. Am meisten überraschte ihn dabei die Offenheit der Italiener, mit ihm vor der Kamera zu sprechen; dies sei in Deutschland kaum noch möglich. Deutlich wurde, welche Rolle Pasolini als linker Intellektueller und Filmemacher bis heute spielt, obwohl er schon 1975 ermordet wurde

Italien im Niedergang

Es wird offenkundig, dass sich Italien wieder in einem Umbruch befindet und sich viel verändert. In den 60 Jahren gleich geblieben ist die Kluft zwischen dem reichen Norden und den armen Süden, der Massentourismus und der Konsumismus eines kapitalistischen Wirtschaftssystems, das sich durch den Neoliberalismus noch verstärkt hat. Dazu liefert Kameramann Thomas Eirich-Schneider sehr starke Bilder, die er mit der damals neu auf dem Markt gekommenen Sony Venice Kamera mit Vollformatbildsensor aufnahm. Damit konnte er sehr beeindruckende Weitwinkelaufnahmen machen. Dem entgegen stellt Pepe Danquart Super 8 Aufnahmen, die von ihm aufgenommen wurden und die ebenso wie der alte Fiat Millecento eine Reminiszenz an vergangene Zeiten sind.

Zu wenig politische Analyse?

Das Publikum der DOK Premiere zeigte sich begeistert vom Film und seinem Blick auf Italien. Nur ein Zuschauer warf Danquart im Caligari Kino Ludwigsburg vor, ein verklärtes Bild von Pasolinis Ideen zu zeichnen und mit „Vor mir der Süden“ eigentlich einen sehr unpolitischen Film gemacht zu haben, in dem er als Regisseur beispielsweise nicht auf den politischen Rechtsruck in Italien eingehe.

Kay Hoffmann mit Pepe Danquart im Kino Caligari
Kay Hoffmann (links) und Filmemacher Pepe Danquart (rechts) beim Filmgespräch © Günther Ahner/HDF

Unpolitisch ist dieses essayistische Road Movie allerdings überhaupt nicht, im Gegenteil. Ökonomische Krisen, der schwierige Umgang der italienischen Regierung mit Geflüchteten oder die erheblichen Auswirkungen von Klimawandel und Umweltverschmutzung werden in „Vor mir der Süden“ klar benannt.

Nächste DOK Premiere mit Jan Hafts „Heimat Natur“

Die Reihe DOK Premiere wird am kommenden Sonntag fortgesetzt mit dem neuen Film von Jan Haft, „Heimat Natur“. Er wird am 18. Juli um 11 Uhr im Caligari Ludwigsburg und um 14 Uhr im Delphi Arthaus Kino in Stuttgart zu sehen. Damit verbunden wird auch wieder ein Filmgespräch sein, dieses Mal mit Jan und Melanie Haft.