TV-Tipp 26.4.: Safari – Von kapitalen Stücken und schönen Schüssen

Warum geben reiche Europäer zigtausende von Euros aus, um in Afrika seltene Tiere zu schießen? Ulrich Seidls Dokumentarfilm »Safari«, den Arte am Donnerstagabend in Erstausstrahlung zeigt, beobachtet die Gier am Töten, die Geilheit nach dem Schuss, die Rechtfertigung des Blutrausches. Von ihren Empfindungen sprechen die Trophäensammler ganz aus freien Stücken, um dann stolz auf ihr Tun vor den Leichen im Dreck zu posieren. Seidls Dokumentarfilm, der 2016 in Venedig Premiere hatte, ist ein ganz starker Film darüber, wie der Urtrieb des Tötens den Übermenschen gebiert.

Arte, 22:25 Uhr: Safari

Ein stattlicher Mann in grüner Tracht lässt das Waldhorn erschallen. Als nächstes sieht man eine Bretterhütte mitten in einer verdörrten Steppe. Man hört den Wind, die Fliegen, die Grillen. Dann fällt ein Schuss und das kurze, große Schweigen beginnt. Als nächstes sehen wir zwei Menschen, die sich eincremen. Ihre schweren, vom Wohlstand gezeichneten Körper, ruhen bald auf zwei Sonnenliegen – den hungrigen Fliegen zum Fraß ausgeliefert.

Kaum hat man diese Anfangssequenz verarbeitet, folgt der österreichische Filmemacher Ulrich Seidl bereits zwei Jägern, die sich flüsternd irgendwo in Afrika an ihre Opfer heranmachen. Wie zwei aufgeregte Jungs in der Umkleidekabine im Freibad, wenn sie versuchen, duch die Ritzen in den Brettern einen Blick auf die Mädchenkabinen zu erhaschen, tapsen sie durch die Landschaft. Ihr Ziel ist irgendwo ausserhalb der Sichtweite der Kamera – die bleibt auf die Jäger gerichtet. Und wieder zerreisst ein Schuss die flirrende Luft. Vom Adrenalin berauscht suchen sie die Beute – und können sie zunächst nicht finden. Erst die feine Nase des Jagdhunds verhilft ihnen zum üblichen Ausklang nach dem Schuss: den Tanz um die Leiche und das Siegerfoto.

Ulrich Seidls Dokumentarfilm beobachtet unaufgeregt, wie sich die deutschen und österreichischen Großwildjäger mit ihren Waffen zu Herren über Leben und Tod erheben. Tiere werden in ihrer Sprache zu »Stücken«, in der Rechtfertigung ihres Tuns sprechen sie von Erlösung und einer Wohltat an den anderen Tieren, die jetzt wieder mehr Lebensraum hätten. Wenn sie einen »schönen Schuss« angesetzt haben und das verendete Vieh vor sich im Dreck liegen sehen, fallen sie sich in die Arme und knutschen sich ab. Gratulation heißt es dann – oder auch: Waidmannsheil! Die Tradition des Tötens hat ihre eingeübten Rituale.

Der Film, der bei den Festspielen in Venedig 2016 seine Weltpremiere hatte, zeigt in seiner ruhigen Beobachtungsfolge schockierende Szenen, die man nicht wieder vergessen kann. Zum Beispiel, wie sich von einem Jagdstand aus rund zwei Metern Höhe einer übergewichtiger, arthritischer, alter Mann die Leiter hinunterquält. Er könnte keine Nacht in der Wildnis überleben, wartet aber Bier trinkend und rülpsend in seinem Versteck darauf, seine erkaufte Übermacht auszuleben. Oder wie dem erlegten Zebra das Fell abgezogen wird. Zusammengelegt wie eine Flanelldecke liegt das vor kurzem noch lebendige Huftier bereit für das Trophäendasein nach dem Tod.

Ulrich Seidls Film ist eine Annäherung an die Großwildjagd, an reiche Europäer, die sich in Afrika mit viel Geld ein Machtgefühl erkaufen können. Töten als touristische Attraktion, von einigen Protagonisten sogar als Entwicklungshilfe deklariert. Dazwischen immer wieder der ruhige Blick der Kamera auf die Trophäen an die Wände, die auf ihrer Erleger herunter schauen. Es fallen Sätze, die so entlarvend sind, dass sie nicht kommentiert werden müssen. Mit Geld, denkt man sich auf dieser Safari, kann man vieles kaufen. Intelligenz gehört nicht dazu.

Safari
Dokumentarfilm, Ö 2014, 87 Minuten
Regie: Ulrich Seidl
Produktion: Ulrich Seidl Filmproduktion
Koproduktion: Arte, ORF