Oscars 2018: Goldener Junge für Doping-Doku »Icarus«

Zum 90. Mal sind in der Nacht zum Montag in Los Angeles die Academy Awards aka »die Oscars« vergeben worden.

In den dokumentarischen Disziplinen ging der »goldene Junge« in der Kategorie »Documentary Feature« an »Icarus«, ein Dokumentarfilm über Sport-Doping und das russische Staatsdoping. Bei den Kurz-Dokumentationen gewann ein Film über eine amerikanische Künstlerin: »Heaven Is A Traffic Jam on 405«. Einige der nominierten Filme sind auch in Deutschland per Videostreaming abrufbar – wir zeigen, wo.

Bryan Fogel hat in seinem Leben schon viele Kilometer hinter sich gebracht. Die meisten davon auf zwei Rädern. Die wichtigsten Meter aber hat er in der Nacht der 90. Oscar-Verleihung auf die Showbühne in Los Angeles vor das Saalpublikum absolviert. Dort konnte er den »goldenen Jungen« für seinen Dokumentarfilm »Icarus« entgegennehmen.

Bryan Fogel ist ein ambitionierter Amateurradfahrer – aber weit von der Spitze entfernt. Er ist nur knapp eineinhalb Jahre jünger als Lance Armstrong. Der inzwischen vom Thron gestürzte Armstrong war lange sein Vorbild. Fogel will das Dopingsystem im Radsport entlarven und stellt sich selbst als Versuchsobjekt zur Verfügung. Kann man wirklich sich so mit Medikamenten präparieren, dass man die härtesten Rennen gewinnt? Und kann man das so machen, dass die Kontrolleure nichts merken. Unterstützt von Ärzten und im Laufe seiner Recherche dann von Grigori Rodtschenkow, dem Chef des russischen Anti-Doping-Programms, steigert er seine Leistung unter Beobachtung der Kamera.

Im zweiten Teil des zweistündigen Dokumentarfilms dreht sich dann alles um das russische Staatsdoping, mit dem das Land über Jahre hinweg – vermutlich jahrzehntelang – seine Sportler auf Medaillenkurs brachte. Sein Helfer beim Doping wandelt sich da zum Täter, der im Dienste des russichen Sportprogramms alle Tricks gelernt und angewendet hat. Rodtschenkow wandelt sich im Laufe des Filmes vom Tippgeber zum Whistleblower, der in Amerika untertaucht, weil er in Russland bedroht wird. Der Film entstand als Netflix Original Documentary in Zusammenarbeit mit Impact Partners, Diamond Docs, Chicago Media Project and Alex Productions. Er ist in Deutschland auch über den kostenpflichten Anbieter in voller Länge und deutscher Sprachanpassung  abrufbar.

Der in Deutschland u.a. vom SWR koproduzierte Dokumentarfilm »Die letzten Männer von Aleppo« ging bei der Oscar-Verleihung leer aus. Nachdem bereits im Vorjahr ein Doku-Oscar an »The White Helmets« ging, war »Aleppo« nur mit Aussenseiterchancen nominiert. Denn auch in diesem Dokumentarfilm geht es um die Freiwilligenorganisation »White Helmets«. Die sehenswerte Langdoku wirft den Betrachter im Stile des Cinema verité direkt in die Ereignisse des syrischen Bürgerkriegs.

Dies waren die weiteren Nominierungen in der Kategorie »Documentary Feature« (Langer Dokumentarfilm):

Abacus: Small Enough to Jail

Dokumentarfilm von Steve James über die Sung-Familie. Die chinesischen US-Einwanderer waren die Besitzer der Abacus Federal Savings of Chinatown, einer Familienbank in New York. Als einzige amerikanische Bank musste sich Abacus in einem fünf Jahre dauernden Rechtsstreit nach dem Finanzbeben 2008 wegen krimineller Geschäftspraktiken wehren. Produktion: Mitten Media, Motto Pictures, Kartemquin Educational Films and WGBH/Frontline. Der Film ist bei Amazon und iTunes zu sehen – aber leider nicht in Deutschland.

Faces Places

Französischer Dokumentarfilm der heute 89-jährigen Schauspielerin Agnès Varda und dem Künstler JR über die Liebe zu Bildern und Gesichtern. Gemeinsam reisen sie in einem »Photo Truck« durch Frankreich und erstellen riesige Aufnahmen der interessierten Bevölkerung. Der Film gewann 2017 beim Filmfestival in Cannes den Dokumentarfilmpreis »L’Œil d’or«.

Last Men in Aleppo

Larmfilm und Aleppo Media Center in Koproduktion mit Kloos & Co. Medien und SWR in Zusammenarbeit mit ARTE, DR, SVT, YLE und NRK
Die Freiwilligenorganisation »White Helmets« wurde 2016 für den Friedensnobelpreis nominiert und mit dem alternativen Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der Film von Ferad Fayyad hinterfragt die Arbeit der Weißhelme in Syrien nicht auf politischer Ebene, sondern bleibt einfach an seinen Protagonisten und der Frage, wie sie diese Arbeit aushalten können. Ein Dokumentarfilm, der sich nicht um Politik schert, sondern um ihre Folgen: um die Tragödie eines Krieges, der kein Ende nimmt. Der Film war bis zum 15. Mai 2018 in der SWR-Mediathek abrufbar.

Strong Island

Amerikanisch-dänischer Dokumentarfilm Yance Ford, der Filmemacher (zur Zeit der Ereignisse lebte er als Frau) schildert die Ermordung seines Bruders William Anfang der neuziger Jahre und den Versuch, den Täter anzuklagen. Vor Gericht scheitert die Familie – vermutlich aus rassistischen Gründen. Jahrzehnte später versucht der Film, der 2017 bei Sundance Premiere hatte und auch bei der 67. Berlinale zu sehen war, die Hintergünde der Tat und die Folgen für die Familie aufzuzeigen.


Dies waren die Nominierungen in der Kategorie »Documentary (Short Subject« (Kurzdokumentation):

»Edith+Eddie«

Dokumentarfilm von Laura Checkoway and Thomas Lee Wright über ein amerikanisches Paar (Er: 95, Sie: 96), das sich bei einer Lotterie kennenlernte. Der Film ist nah bei seinen liebenswerten Protagonisten, geht aber der Frage nach, wie eigenständiges Leben im hohen Alter gelingen kann. Als Executive Producerin des Filmes agierte die Sängerin Cher, die nach Medienberichten von der Geschichte des Paares menschlich berührt war. Der Film kann in Deutschland über die Webseite »Short of the Week« online gesehen werden.

»Heaven Is A Traffic Jam on the 405«

Dokumentarfilm von Frank Stiefel über die amerikanische Künstlerin Mindy Alper, die nach einer obskuren Elektroschock-Therapie zehn Jahre nicht sprechen konnte.

»Heroin(e)«

Ein Dokumentarfilm von Elaine McMillion Sheldon and Kerrin Sheldon über drei Frauen aus West Virginia, die auf ihre Art gegen eines der größten amerikanische Probleme dieser Tage kämpfen: gegen die Opiod-Krise, die durch Schmerzmittel ausgelöste Sucht, der Zigtausende Amerikaner jährlich erliegen. Dieser Dokumentafilm kann in Deutschland über Netflix gesehen werden.

»Knife Skills«

Ein Dokumentarfilm von Thomas Lennon über das Edwins Restaurant in Cleveland. Dort wird exklusice französische Küche serviert – zubereitet von Männern und Frauen, die aus dem Gefängnis kommen und im »Edwins« eine neue Chance auf ein anderes Leben erhalten. Der Filmemacher hat bereits drei Oscar-Nominierungen erhalten und konnte den Academy Award schon ein Mal gewinnen. Der Film ist in Deutschland über Apple iTunes zu sehen – aber derzeit leider nicht in Deutschland.

»Traffic Stop«

Der Dokumentarfilm von Kate Davis schildert den Fall von Breaion King, einer 26 Jahre alten Frau, die bei einer Verkehrskontrolle durch die Polizei aus dem Auto gezerrt und festgenommen wurden. Wenige Tage später wurde sie erhängt in ihrer Zelle aufgefunden. Im Zentrum des Films stehen auch die Dashcam-Aufnahmen der Polizei. Produziert wurde der Film vom amerikanischen TV-Sender HBO. Er ist derzeit nicht in Deutschland zu sehen.