Oscar-Kandidat »Die letzten Männer von Aleppo«

Der Blick in Ferad Fayyads Dokumentarfilm »Die letzten Männer von Aleppo« ist meistens nach oben gerichtet – dorthin, von wo der Tod kommt. Nach den Bombenangriffen springen die Männer des syrischen Zivilschutzes ins Auto und versuchen zu retten und zu bergen. Einer der bewegendsten Dokumentarfilme der letzten Zeit – bis 15. Mai 2018 in der SWR-Mediathek zu sehen.

Was Krieger und Soldaten antreibt, das kann man sich erklären und ist hundertfach beschrieben und verfilmt worden. Was aber treibt Menschen an, die sich freiwillig um die Opfer des Krieges kümmern? Statt selbst zur Waffe zu greifen, ziehen sich »Die letzten Männer von Aleppo« täglich einen weißen Helm auf. Sie sind die Zeugen, Begleiter und selbst Opfer des syrischen Bürgerkrieges. Und sie sind auch Familienväter, oft auch selbst betroffen von Tod und Verlust im engsten Familienkreis.


Die letzten Männer von Aleppo (SWR-Mediathek)

(Video laut Sender abrufbar bis 15. Mai 2018)

Meist sieht man sie, wie sie den Blick nach oben richten. Nach oben, in den blauen Himmel von Aleppo. Diese historische syrische Stadt ist zu einem Synonym für das syrische Drama geworden. Und die »Weißhelme«, wie die freiwilligen Helfer auch genannt werden, sind diejenigen, die am Blick in den Himmel erkennen, wann sie wieder los müssen. Dann wagen sie sich in die gerade zerbombten Ruinen. Kämpfen gegen Rauch und Feuer, finden Körperteile und Tote. Und manchmal auch Menschen, die noch leben. Nur wenige überleben, ohne die freiwilligen Helfer des Zivilschutzes wären es noch weniger.

Der syrische Filmemacher Feras Fayyad (Buch und Regie) und sein dänischer Koregisseur und Cutter Steen Johannessen dokumentieren in diesem preisgekrönten Dokumentarfilm (u.a. im Januar 2017 den Preis für den besten Dokumentarfilm im Wettbewerb »World Cinema Documentary« beim renommierten internationalen Sundance Film Festival) den Wahnsinn des Bürgerkrieges – und die wie wahnsinnig und in jeder Einstellung ohnmächtigen Kampf »der Männer« gegen die Bomben. Die Kameras sind immer ganz eng dran an den Protagonisten – im Einsatz wie in den Momenten, in denen sie versuchen, so Etwas wie Entspannung zu finden. Beim Kochen, bei Plaudern, beim Fußballspielen zwischen Trümmern.

Manche Szenen des Filmes sind kaum ertragbar. Zum Beispiel diese: Man sieht die Weißhelme durch die Trümmer eines zerbombten Hauses laufen. Plötzlich ruft einer nach einem Leichensack. Von weiter oben wirft einer etwas herunter in die Hände eines anderen. Es ist ein abgerissener Fuß. Nun versuchen die Helfer herauszufinden, wem er gehören könnte. »Es muss der von Abu Ahmed sein«, sagt einer, »der hat sich vor kurzem die Zehennägel geschnitten.«

Die Freiwilligenorganisation »White Helmets« wurde 2016 für den Friedensnobelpreis nominiert und mit dem alternativen Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der Film hinterfragt die Arbeit der Weißhelme nicht auf politischer Ebene, sondern bleibt einfach an seinen Protagonisten und der Frage, wie sie diese Arbeit aushalten können. Ein Film, der sich nicht um Politik schert, sondern um ihre Folgen: um die Tragödie eines Krieges, der kein Ende nimmt.

SWR, 23:45 Uhr: Die letzten Männer von Aleppo